HERMANN PFÜTZE
Parastou Forouhar
“Tausendundein Tag”
Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, 10.5. – 29.6.2003
Wenn man die Ausstellung betritt, ziehen zunächst halblaute, angenehme Stimmen aus einem Monitor die Aufmerksamkeit auf sich, und dann der Film selbst, ein Behörden-Comic in schwarz-weiß. Es ist ein Endlos-Video aus mehreren Episoden, der Film kann an jeder Stelle beginnen und enden, wie der Behördenalltag selbst. Hier einige Ausschnitte:
Frauenstimme: “Ich soll den Brief hier abgeben”.
Männerstimme: “Heute geschlossen. Sie dürfen sich hier nicht aufhalten.”
Sie: “Ich komme morgen wieder.”
Er: “Setzen Sie sich wie alle anderen.”
Sie: “Er hat uns gesehen. Jemand ist hinter dem Baum.”
Er: “Sind diese beiden Frauen immer noch da?”
Sie: “Sie schicken immer denselben.”
Er: “Gehen Sie erst zur Durchsuchungskabine. Schuhe ausziehen.”
Sie: “Die Schuhe stinken doch.”
Er: “Gerade sitzen.”
Sie: “… wie hält er diesen Geruch aus?”
Er: “Gnädige Frau. Sie warten umsonst.”
Sie: “Meinst du, er ist auch ein Spitzel?”
Er: “Im Namen Gottes, die Sitzung ist eröffnet. Hier sind ihre beantragten Dokumente. Sie dürfen sie lesen, aber nicht mitnehmen.”
Die deutschen Synchron-Stimmen passen zum Text, als ob sie Kafka lesen würden. Aber es sind Szenen aus dem Ayatollah-Regime im Iran, und manches ist wie in allen Behörden: das Desinteresse und der Hochmut der Beamten, ihre Unterwerfungserwartungen, die Amts- und Männerattribute – hier die islamische Variante mit Turban, Bart, Kettchen und Staatswimpel auf dem Tisch. Etwas ist jedoch anders und bringt einen heiteren Ton hinein, nämlich die Beharrlichkeit der Bittstellerin, ihre Spur von Widerstand und Unvereinbarkeit mit diesem System.
Parastou Forouhar hat hier eigene Erfahrungen verarbeitet. Der Film “Schuhe ausziehen” ist nicht nur ein Behörden-Comic, sondern…