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Titel: Parasitäre Paradoxa · von Tonia Andresen · S. 46 - 57
Titel: Parasitäre Paradoxa ,

Parasitäre Paradoxa

Kunst zwischen Anpassung und Widerstand
von Tonia Andresen, Marina Resende Santos, Jakob Wirth

Am 3. Oktober 1979 verteilte das Kollektiv CADA [Colectivo de Acciones de Arte – Kollektiv der Kunstaktionen] 100 Liter Milch an 100 Familien in einem Vorstadtviertel Santiago de Chiles. Die Aktion war Teil ihres Projektes Para no morir de hambre en el arte [Um nicht zu verhungern in der Kunst], die sich auf ein politisches Versprechen Salvador Allendes bezog, nämlich jedem Kind täglich einen halben Liter Milch zu ermöglichen. Zusätzlich hatte das Kollektiv in der Zeitschrift Hoyeine Werbeanzeige geschaltet. [02, 03] Hintergrund der Aktion, die zusätzlich die Verlesung eines Textes vor dem UN-Gebäude sowie eine Ausstellung in einer Kunstgalerie, in der eine Acrylbox mit 100 Milchtüten gefüllt und ausgestellt wurde [04], war der durch Augusto Pinochet am 11.09.1973 durchgeführte Militärputsch, der die Regierung des demokratisch gewählten Salvador Allendes jäh beendete und dessen Anhänger*innen im Anschluss brutal verfolgt.1

CADAs Aktion holte die Ziele der Unidad Popular, deren Erinnerung die Putschregierung Pinochets zu tilgen versuchte, wieder in den öffentlichen Raum, ohne eine direkte Kritik an der Militärregierung zu äußern. Sie prangerten nicht publik die ökonomische Ungleichheit an, sondern agierten im Verborgenen. Indem sie Räume, die normalerweise von Repression und Zensur geprägt waren, für ihre Ziele aneigneten, setzten sie eine Strategie ein, die wir als parasitär beschreiben.

Heutzutage befinden wir uns an einem anderen Ausgangspunkt. Es ist keine zentralisierte Macht, die agiert, sondern unsere (post-)industriellen Gesellschaften sind durch Neoliberalisierungsprozesse geprägt, die die Frage nach den Wirkungsweisen parasitärer künstlerischer Praxen neu stellen. Denn…

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