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Essay · S. 68 - 71
Essay , 1986

PARADIGMENWECHSEL

VON STEPHAN SCHMIDT-WULFFEN

“Was Sie schon immer über Umweltschutz wissen wollten” verrät eine dreihundert Seiten starke Broschüre des Innenministeriums, auf Umweltpapier natürlich: “Die kontinuierliche Rückführung von Ausgangsmaterialien in den Produktionsprozeß wird als Recycling bezeichnet.”

Daß sie mit diesem Stichwort auch einen Beitrag zur Kunstkritik leisten würden, kam den Beamten wohl kaum in den Sinn.

Mir ging es vor einem Gemälde des Amerikaners Philip Taaffe durch den Kopf. So sachte hatte vor zwanzig Jahren schon Bridget Riley die Linien plätschern lassen. Damals nannte man das Op Art. Heute fehlen einem die Worte.

Soviel ist richtig: Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil sind in der Kunst der letzten fünfzig Jahre Neuheiten keineswegs die Regel gewesen. Nachdem die Claims in den ersten drei Jahrzehnten abgesteckt worden waren, haben die Künstler sich vor allem damit beschäftigt, die Schätze auszubeuten. Was da zutage kam, war vielfach Katzengold. Doch erst am Ende der siebziger Jahre kam der Katzenjammer. Keine Farbe, keine Form, die nicht schon Markenzeichen war. Es brauchte im Atelier nur ein Farbtopf umzufallen, ein Pinsel über das Papier zu rollen, und schon erwachten Reminiszenzen. Das war und ist noch immer die hohe Zeit des Neo: neo-expressiv, neo-informell, neo-konstruktiv, neo-konzeptuell.. . .

Damit muß man leben lernen! Psychische Unausgeglichenheit ist allein schon dadurch programmiert, daß das Rollenverständnis vom Künstler Innovation noch immer vorschreibt, daß aber andererseits kaum eine künstlerische Ausdrucksgebärde nicht von Klassifikationen, historischen Verweisen überwuchert wäre. Um es kristallklar zu machen: Da nimmt ein junger Künstler Anlauf, studiert, rafft alle Kräfte zusammen für das große Ziel, setzt alles auf eine…

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