Johannes Meinhardt
Oskar Schlemmer
»Der Folkwangzyklus 1928-31«
Staatsgalerie Stuttgart, 11.9. – 14.11.1993
Folkwangmuseum Essen, 13.12.1993 – 14.2.1994
“Maß und Gesetz!” Diese zentrale Forderung von Oskar Schlemmer klang bei ihm doppeldeutig: Sie meinte Verschiedenes, einander nahezu Entgegengesetztes. Einerseits entsprang sie der aufklärerischen analytischen Haltung des Bauhauses und des Konstruktivismus, der Analyse von Mitteln, Formen, Materialien und Grundelementen der Kunst und der künstlerischen Produktion, wie sie etwa auf der Bauhausbühne erprobt wurde und die eine wissenschaftliche Grundlegung der Kunst schaffen wollte. Andererseits reihte sich Oskar Schlemmer mit dieser Forderung in eine umfassende europäische Bewegung der zwanziger Jahre ein, die sich bewußt als Gegenreaktion bzw. Konterrevolution gegen die radikale Moderne des frühen 20. Jahrhunderts verstand. Dieser “Rappel à l’ordre” rief die Kunst zu einer Ordnung zurück, die als anthropologische Konstante verstanden wurde, zu einer scheinbar natürlichen Ordnung des Menschen und der Gesellschaft.
Schlemmers Figurinen des triadischen Balletts lassen sich noch überwiegend als analytische Modelle der Mechanik von Körper, von Bewegung und Haltung verstehen. Doch in der Malerei ließ seine typisierende Reduktion von Körpern auf additive und serielle Apparate, auf mechanisch und tektonisch determinierte Maschinen mit einem streng geregelten kombinatorischen Repertoire von Einzelteilen und Stellungen eine Lust am Körper als Ornament und als kontrolliertem Mechanismus mitschwingen, die zumindest heute manchmal grotesk und zugleich erschreckend wirkt.
Die Analyse des Körpers als Maschine unterwirft ihn zugleich seiner Behandlung als Maschine. Schlemmers Satz “Die menschliche Gestalt bietet in ihren einfachen Funktionen wie Neigen des Kopfes, Aufheben der Arme, Geste der Hand, Beinstellung usw. für den bildenden Künstler eine solche Fülle von Ausdruck,…