Wole Soyinka:
Orisha befreit den Geist
Ein Gespräch von und mit Ulli Beier
Der 1934 geborene nigerianische Schriftsteller Wole Soyinka erhielt 1986 als erster Afrikaner den Nobelpreis für Literatur. Soyinka studierte in Ibadan und im englischen Leeds Literatur- und Theaterwissenschaft, er war u. a. Dramaturg am Royal Court Theatre in London sowie Direktor des Internationalen Theater-Instituts in Paris. Soyinka, dem Kritiker immer wieder vorgeworfen haben, er schreibe esoterische intellektuelle Stücke, mit denen das nigerianische Publikum nichts anfangen könne, ist alles andere als ein im Elfenbeintum sitzender Literat. In den wirren und unruhigen Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit Nigerias hat er immer wieder bewiesen, dass es für seine Überzeugung auch mit draufgängerischen Handlungen eintreten kann. Mit fast selbstzerstörerischer Zivilcourage hat er immer wieder das nigerianische Establishment angeprangert und entlarvt, sei es durch Zeitungsartikel von beissender Ironie, durch brillante satirische Gedichte, durch Sketches im Radio oder Fernsehen oder durch Schmäh- und Spottlieder, wie auf der berühmten Platte “Unlimited Liability Company”, die vor den Wahlen 1983 so populär wurde, dass die Lieder sogar von den Gemeinden in den Kirchen gesungen wurden. Das nigerianische Publikum erkannte (und feierte) die Persönlichkeit des Dichters zuerst im Jahr 1965, als der unbeliebte Premierminister der Westregion Nigerias, Chief Akinota, die Ergebnisse der Parlamentswahlen gefälscht hatte. So gross war der Zorn des Volkes, dass der Premierminister sich nicht traute, seine Dankesrede in der Radiostation live zu sprechen, er liess sie von einem Techniker bei sich zu Hause aufnehmen. Als die Rede dann gesendet werden sollte, erschien Soyinka mit einem Revolver in der…