Jürgen Raap
Open Box
»Eine Ausstellung zur Erweiterung des Museumsbegriffs«
Karl-Ernst Osthaus-Museum, Hagen, 19.1. – 10.3.1991
Für die Fahrt nach Hagen hätte ich keine bessere Wahl treffen können als den D-Zug nach Leipzig mit seinem “Mitropa”-Speisewagen, ausgestattet mit taubengrauen Plastikbänken, weißen Zierleisten und nierenförmigen Spiegeln im Stil der fünfziger Jahre. Dieses Design-Erlebnis erschien mir nämlich kurze Zeit später im Museum als zufällige Ouvertüre zum Ausstellungsbesuch, als ich vor der Beuys-Installation “Wirtschaftswerte” (1980) stand. Die Ansammlung blaßbedruckter Mehltüten und anderer Packungen aus dem einstigen DDR-Konsumalltag als museumswürdiges Gut wirkt rund ein Jahrzehnt später unter den inzwischen veränderten Zeitumständen als Dokumentation nicht real-sozialistischen, sondern real-kapitalistischen Exotismus. Schließlich krankt – Beuys konnte es nicht vorhersehen – die Wirtschaft in den neuen Bundesländern u. a. auch daran, daß die dortigen Konsumenten einheimische Produkte inzwischen weitgehend zugunsten von Dingen westlicher Provenienz verschmähen, während ich gleichzeitig hoffe, man werde die Reichsbahnwaggons nicht verschrotten, sondern in ein Verkehrsmuseum stellen.
Den ideellen wie auch ideologiekritischen Gegenpol zu dieser Arbeit bildet HA Schults Neuauflage der “Zerbrochenen Träume” (1984/91) – eine Anhäufung von Sperrmüll mit Kühlschränken und Möbelteilen, die Aufschluß über den Zeitgeschmack der Versandhauskunden und die Vorgehensweise einer Wegwerfgesellschaft bieten. Daß Schult über dieses Arrangement Berge von Kartoffelchips gestreut hatte, dürfte vor allem die Hagener Schulkinder auf den Museumsrundgang fröhlich eingestimmt haben.
Beuys und Schult durften natürlich nicht fehlen, als sich unter dem Titel “open box” rund 50 Beiträge von Künstlermuseen, Sammlungen von Künstlern und von Präsentationsformen, die nicht von Ausstellungsmachern, sondern von Künstlern entwickelt wurden, zu einem munteren Potpourri zusammenfügten.
Museumsdirektor Michael Fehr…