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Ausstellungen: Hamburg · von Michael Lingner · S. 340 - 340
Ausstellungen: Hamburg , 1992

Michael Lingner
On Kawara

»Exerzitien zur Zeiterfahrung«
Deichtorhalle, Hamburg, 12.3. – 10.5.1992

In der neuen Musik hat T. W. Adorno eine Tendenz zur “Verräumlichung” beobachtet. Indes sieht er als wesentliches Kennzeichen moderner Kunst ihre zunehmende “Verzeitlichung” an. Diese erstaunliche Umdimensionierung deutet er als Ursache des Konvergierens von Musik und bildender Kunst. Es konkretisiert sich für ihn im Phänomen der “écriture”1, die sich als werkbestimmende Form in beiden Künsten und – extrem anonymisiert – auch bei On Kawara findet.

Während Zeitlichkeit zuvor immer nur in bildlicher, d.h., räumlicher Umsetzung vorkam, ist sie für die bildende Kunst des 20. Jahrhunderts in ihrem realen Verlauf wichtig geworden. Dies resultiert vor allem daraus, wie sehr über die reine Betrachtung hinaus, das Handeln als ästhetische Rezeptionsform an Bedeutung gewonnen hat. Denn nicht nur ist das Handeln selbst zeitlich, sondern bereits der das Handeln bezeichnende Begriff impliziert Zeitlichkeit. Stets kommt die Zeitbestimmung in einer Aussage dem Verb zu, das deswegen auch “Zeitwort” genannt wird. Eine auf das Handeln statt auf die Anschauung sich konzentrierende Kunst erzwingt deswegen geradezu die Berücksichtigung der zeitlichen Dimension.

Nachdem in der Renaissance durch die Erfindung der Perspektive die Domestizierung des Raumes gelang, stehen wir heute vor dem Problem, die Zeit zu domestizieren. An der Beherrschung der Zeitknappheit durch weitere Beschleunigung arbeitet die die Evolution gegenwärtig anführende Wirtschaft, was letztlich zur Unterdrückung und Auslöschung von Zeitlichkeit führt. Ein als Befreiung und Kultivierung sich vollziehender Umgang mit der Zeitdimension wäre dagegen von der Kunst zu leisten.

Besonders in der Conceptual-art ist Zeit nicht mehr nur ein fiktiver, sondern…



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