JOHANNES MEINHARD
OLAF PROBST
An der Stelle des Werks
I. INSERATE
Die früheste Werkgruppe, die Olaf Probst über einen längeren Zeitraum (1986-1994) entwickelt hat, sind die `Inserate´ (von denen er 254 in Zeitungen und Zeitschriften einrücken ließ). Schon diese ersten Einsätze arbeiteten sowohl auf semantischen als auch auf situativ-räumlichen Ebenen, innerhalb derer sie jeweils Störungen und Doppeldeutigkeiten erzeugten – erst diese Störungen laden einander auf, schaffen ein dichtes Feld von Bezügen und Verbindungen (solange die einzelnen Ebenen ungestört funktionieren, werden sie nicht bewusst wahrgenommen). Die Inserate sind auf der semantischen Ebene Störungen und Reflexionsauslöser, indem sie beispielsweise keine lesbaren Buchstaben, sondern nur diakritische Zeichen, Satz- und Setzerzeichen (also formale Lektüreanweisungen) zeigen. Noch deutlicher sind Inserate, die als Shifter, als sprachliche Hinweise auf ihren Ort (auf die Zeitungsseite) und auf die Lektüre funktionieren: etwa “hier” oder “jetzt”, die als Indizes einen leeren (und deswegen in einem zweiten Schritt reflexiven) Hinweis liefern. Vergleichbar arbeiten Inserate, die begriffliche Lektüreanweisungen geben, ohne etwas mitzuliefern, was zu lesen oder zu sehen wäre (wodurch sie selbst- und situationsreflexiv werden): “Legende”, “o. T.”; auch Berichtigungen ohne einen Text, den sie berichtigten, sind solche Indizes ohne Referenten, die für sich selbst zum Referenten werden: “Druckfehler”, “Berichtigung” oder “Tipfehler: Im Originaltext steht hier nicht Präsens sondern Präsenz” (ein besonders raffiniertes Inserat: präsent ist hier nur die Korrektur, die dazuhin ihre eigene Präsenz sprachlich artikuliert).
Die Lage der Inserate auf den einzelnen Seiten und in der Abfolge der Seiten (der Zeitung oder der Zeitschrift) können vom Künstler nicht gewählt oder beeinflusst werden; die Positionierung…