Thomas Feuerstein
Ökonomie ist heute eine ästhetische Kategorie.
Ein Gespräch von Dieter Buchhart und Gerald Nestler
Das Aufspüren latenter Verknüpfungen zwischen Fakten und Fiktionen sowie die Verschränkungen zwischen Kunst und Wissenschaft unter den veränderten Bedingungen von Technologie, Ökonomie und Politik bilden die Eckpfeiler von Feuersteins Kunstpraxis. Vor allem das Zusammenspiel von Algorithmen, sprachlicher und visueller Elemente – wofür er die Methode der „konzeptuellen Narration“ entwickelt hat – realisiert er in medial und thematisch vielfältigen Arbeiten. In seiner Kunst wird der Daimon als wesentliche Spielfigur unserer Zeit entdeckt, der Türen nicht mehr ins Jenseits, sondern innerhalb unserer Welt öffnet und schließt.
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Dieter Buchhart/Gerald Nestler: Ökonomie und Finanzwirtschaft scheinen in deiner Arbeit seit den 1990er Jahren eine wichtige Konstante zu bilden, die weit über eine punktuelle Beschäftigung in einzelnen Werken hinausgeht. Wie würdest du dein Verhältnis zu Ökonomie und Finanzwirtschaft beschreiben?
Thomas Feuerstein: Ökonomie ist für mich eine Frage des Zusammenlebens und der Gemeinschaftsbildung. Wie sich Gemeinschaft strukturiert und wie die Wechselwirkungen zwischen Individualität und Sozietät verlaufen, sind Grundfragen, die mich bis heute beschäftigen. So gesehen gibt es aus der Ökonomie kein Entkommen; sie organisiert nicht nur Kulturen, sie reicht bis in den Metabolismus der kleinsten Zelle. Mein künstlerisches Interesse an Ökonomie geht über das hinaus, was man gemeinhin als Marktwirtschaft im klassischen Sinn von Angebot und Nachfrage oder Investition und Risiko versteht. Sie ist für mich ein Prinzip des Lebendigen, das sich nicht auf Begriffe wie Handel und Konsum reduzieren lässt. Damit meine ich nicht sozialdarwinistische Ansätze, sondern ein ökonomisches Denken als Regelwerk der Verteilung,…