Reinhard Ermen
Okkultismus und Moderne
»Von Munch bis Mondrian. 1900 – 1915«
Schirn Kunsthalle, Frankfurt, 3.6. – 20.8.1995
Noch vor kurzer Zeit stand fest, daß an der Wieg der Moderne ein wissenschaftlich aufgeklärter Rationalismus Wache gehalten hat, um der neuen Kunst den schönen Weg des Fortschritts zu weisen. Erst nachdem uns in den letzten Jahren der Glaube an diesen Fortschrittsbegriff abhanden gekommen ist, haben wir Augen für den allgegenwärtigen Irrationalismus, der im übrigen nie ganz tot war, am wenigsten um 1900. Dem Okkultismus als Wegbereiter der Avantgarde widmete die Frankfurter Schirn eine umfängliche, um nicht zu sagen enzyklopädische Ausstellung. Kurator und spiritus rector der bedeutsamen Nachhilfestunde zur Kunstgeschichte war Veit Loers.
Die Wissenschaft selbst hatte das Feld bereitet: 1888 konnte Heinrich Hertz die elektromagnetischen Wellen nachweisen, 1895 entdeckte Konrad Röntgen die X-Strahlen, ab 1900 gab es eine praktikable drahtlose Telegraphie – die Liste ließe sich problemlos verlängern. Hinter den greifbaren Dingen gab es also bis dahin verborgene, um nicht zu sagen okkulte Welten. Die Wissenschaft öffnete, zumindest im allgemeinen Bewußtsein, dazu die ersten Türen. Auf anderen Wegen näherte sich die 1875 von dem Medium Helena Petrovna Blavatsky gegründete Theosophische Gesellschaft dem Verborgenen. Gesucht wurde das Gemeinsame, das hinter allen Religionen steckt, das okkulte Ding an sich. 1913 spaltete Rudolf Steiner von dieser esoterischen Weltgemeinschaft seine eigene anthroposophische Gesellschaft ab. Eine Schar neuer Schamanen, Seher und Spiritisten trat auf den Plan, um ihre Verbindungen zu den anderen Welten einem wißbegierigen Publikum anzudienen. Wissenschaft und Scharlatanerie lagen dicht beieinander. Was uns freilich die “Transzendentalen Fotografien”…