Ohne Titel, Jan. “83”
von Christoph Schenker
Aus dem Leiden an der eigenen Zeit, im Empfinden der Entzweiung von Natur und Vernunft, Sinne und Geist, der Zerrissenheit des Staates, der Menschheit, entsprang bei Schiller, Hölderlin, Schelling und Hegel und ändern Vertretern des deutschen Idealismus eine Idealisierung der Antike, in die sie all dies konstruieren konnten, was sie im gewordenen Gegenwärtigen vermißten und diesem nun entgegensetzten.
Schelling und Hegel plädierten dafür, daß einerseits die Mythologie philosophisch werde und das Volk vernünftig, andererseits die Philosophie mythologisch werde, um sie sinnlich zu machen.
In der Form der griechischen Menschheit sah Schiller die Vernunft, so hoch sie auch stieg, als eine, die doch immer die Materie liebend nach sich zog, und so fein und scharf sie auch trennte und zerlegte, doch nie verstümmelte: die verkörperte Vernunft. Nun mal abstrahiert von den damaligen gesellschaftlichen Interessen, hat sich doch immer wieder auch die Kunst für diese heiklen Umtriebe zwischen dem Gegensätzlichen sich Widerstreitenden und dem vermeintlichen “Eta del oro” – beide schon an sich selbst je ein Mythos – interessiert (kunstintern für das Gesamtkunstwerk). Ich sehe hier durchaus eine Relation zur jüngsten europäischen Kunst, auch wenn sich die Begriffe der beiden Pole längst mit anderen Konnotationen aufgeladen und die Fluchtpunkte geändert haben. Aber ein Verlust, an dem offensichtlich gelitten wird, läßt sich nie durch Rekonstruktion aufheben – erst recht nicht, wenn er in sich das Merkmal der Notwendigkeit trägt. Der Verlust selbst wird zum Problem, und dieses Problem, das der Orientierungslosigkeit nun, läßt sich nicht durch alte Muster lösen. Jeder…