Ohne die Künste sind wir lebensunfähig
HEINZ-NORBERT JOCKS IM GESPRÄCH MIT CHRISTOPH VITALI
Christoph Vitali, 61, Schweizer, von Hause aus Jurist, bis Ende 1993 Chef der Schirn Kunsthalle in Frankfurt, leitet seit 1994 das Haus der Kunst in München mit großem Erfolg. Zusammen mit seinem Kunsthistoriker-Team gelang es ihm, die Schirn binnen von acht Jahren zu einem Haus von internationalem Rang zu machen. Als er 1985 sein Amt antrat, versprach er, “die schönsten und wichtigsten Ausstellungen”, derer er habhaft werden könne, zeigen zu wollen, und stellte ein Programm auf die Beine, dessen Spannbreite von den italienischen Renaissance-Meistern über die Surrealisten bis zur spanischen und amerikanischen Moderne reichte. Ein Clou gelang ihm mit Wassily Kandinskys erster sowjetischer Retrospektive exklusiv in der Schirn. Er brachte Werke aus 18 sowjetischen Museen und Privatsammlungen mit Leihgaben aus westlichen Sammlungen zusammen. Besonders am Herzen lag ihm der frühe Chagall, dessen im Depot der Tretjakow-Galerie gelagerten legendären Wandgemälde er ans Licht der Öffentlichkeit holte, die der Künstler 1920 für das Jüdische Kammertheater malte. Mit solchen Projekten machte er sich einen Namen als Ermöglicher, der die Flinte erst dann ins Korn wirft, wenn wirklich nichts mehr geht. Vitali selbst beschreibt sein Elternhaus als eine “Mischung zwischen Boheme und Bildungsbürgertum”. Sein Vater ein Bildhauer und Spielzeugerfinder, seine Mutter Lehrerin. Mit 19 geht er nach Princeton, um Literatur und Kunstgeschichte zu studieren, danach nach Zürich, wo er beiläufig ein Jurastudium aufnimmt. Mit 29 Eintritt ins Kulturamt der Stadt Zürich. Zwei Jahre später avanciert er zum verantwortlichen Leiter, der auf allen Gebieten…