Annelise Zwez
Objekt-Bilder von urtümlichem Materialverständnis
ÜBER GOTTFRIED RÖTHLISBERGER
Fundgut, Industrieabfall, Weggeworfenes, Ansammlungen des Unbrauchbar-gewordenen, Verdorbenen und Beschädigten, all diese Dinge, welche unsere Zivilisation als nutz-, wert- und sinnlos hinterläßt, hat Gottfried Röthlisberger (1915-1986), “Stadtgärtner und Straßenkehrer”, zum Gerüst seiner eigenen Welt auserwählt.
1949 präsentierte ein gewisser Gottfried Röthlisberger, wohnhaft in Bettlach, der Jury der Solothurner Weihnachtsausstellung Mosaikbilder aus Kieselsteinen und grobem Sand. Weil die Jury – so Konservator André Kamber im Katalog zur im Winter ’88 gezeigten Gedächtnisausstellung im Kunstmuseum Solothurn – perplex war, die Andersartigkeit der Werke nicht einordnen konnte, nahm sie die Arbeiten Röthlisberger an. Sie bewies damit – 1949, also vor dem Durchbruch neuer Kunstbegriffe in der Schweiz – ein verblüffendes Gespür für jene urtümliche Gestaltungskraft, die Röthlisbergers Werk als Ganzes auszeichnet.
Die wichtigste Schaffensperiode des Künstlers setzte jedoch erst in den späten sechziger Jahren ein, als er die Mosaike zu Material-Objektbildern weiterentwickelte. Der gelernte Bäcker aus dem Emmental, der später sein Geld als Gelegenheitsarbeiter verdiente, lebte zu diesem Zeitpunkt bereits als “Gärtner und Straßenkehrer” im aargauischen Koblenz. Aus Abfallmaterialien, deren er im Rahmen seiner Berufstätigkeit habhaft wurde, begann er Materialbilder zu machen. Holzlatten, Plastikrohre, Folien, Matratzenstoff, Tücher, Werkzeugteile, Möbelfragmente, Eisenplatten, Besenreis, Fellstücke, Jutesäcke, Nägel, Gitterroste, Schaumgummi, Schnüre, Kartonrohre und vieles anderes mehr setzte er ein für seine Material-Assemblagen. Was alle seine frühen und viele seiner späten Arbeiten auszeichnet, ist ein ausgeprägtes Gespür für Materialkombinationen einerseits, formale Spannungsfelder andererseits. Erstaunlich ist, daß er manchen seiner Arbeiten Titel gab, die weit über den Material-Form-Effekt hinausreichen.
Gottfried Röthlisberger war kein gebildeter Mann, er…