4. Canakkale-Biennale 2014, Türkei
Nur die Toten
Kaum jemand kennt die kleine Canakkale-Biennale in der türkischen Provinz. Im Erinnerungsjahr 1914 empfiehlt sie sich als „Plattform der Demokratie“.
von Ingo Arend
Only the Dead have seen the end of war“. Der düster dräuende Satz wird dem Philosophen Platon zugeschrieben. Und er gibt einige Rätsel auf. Wieso haben nur die Toten das Ende des Krieges gesehen? Waren nicht vielleicht doch auch ein paar Überlebende darunter? Oder soll uns die Sentenz des alten Kunstverächters bedeuten, dass die Toten Glück gehabt haben, weil für sie alles Aus und zu Ende ist? Und die Überlebenden nicht zu beneiden sind, weil sie in einem Krieg leben, der niemals endet?
Wie man den opaken Spruch auch dreht und wendet, es gibt wohl kaum einen Ort, zu dem er besser passen würde, als zu Canakkale. Der Provinzort im Westen der Türkei, rund 400 Kilometer südwestlich von Istanbul, lockt als heiterer Ferienort. 100.000 Einwohner zählt die als säkular geltende Stadt an den Dardanellen. Wer an das andere Ufer der Meerenge schaut, erblickt freilich einen gigantischen Friedhof. Dort fielen im August 1915 100.000 türkische, britische, australische und neuseeländische Soldaten während der Kampagne von Gallipoli.
Die gleichnamige Halbinsel ist heute ein riesiges Freiluft-Geschichtsmuseum, übersät mit pathetischen Monumenten. Jeder Regenguss spült neue, unentdeckte Massengräber frei. Im „Jubiläums“jahr des 1. Weltkrieges, kurz vor der 100. Wiederkehr der legendären Schlacht, bei der die Osmanen unter Mustafa Kemal den Durchbruch der Alliierten verhinderten, lag es nahe, dass Kuratorin Beral Madra, die 4. Canakkale-Biennale dem Thema Krieg widmete. Dreißig Kilometer…