Jürgen Kisters
Noritoshi Hirakawa
Galerie Rivet, Köln, 7.11.1997 – 24.1.1998
Kunst muß direkt auf der Straße beginnen”, sagt der japanische Künstler Noritoshi Hirakawa. So hat er sich ins Kölner Stadtzentrum aufgemacht und zahlreiche Passanten mit jeweils drei Fragen konfrontiert: “Sind Sie religiös? Haben Sie eine Bibel? Würden Sie diese für ein Kunstwerk zur Verfügung stellen?” Auf ein “Nein” folgte als vierte Frage: “Warum nicht?” Von den meisten Menschen erhielt er dabei die Antwort, daß sie nicht gläubig seien und auch keine Bibel besäßen, aber wenn sie eine hätten, sie ihm diese durchaus zur Verfügung stellen würden. Selbstverständlich gab es auch Menschen, die Bibeln besaßen und abgaben, so daß das Grundmaterial für das Konzept einer Ausstellung gegeben war, die Noritoshi Hirakawa in der Galerie Rivet realisierte.
Der “Aktionsraum”, in dem das Buch der Bücher in die Fänge der modernen Kunst geriet und verwandelt wurde, bestand aus einem roten Teppich, einer mit schwarzer Tusche gefüllten Wanne, Gummihandschuhen und einem Regal. Dort wurden die Bibeln in die Tusche getaucht und Seite für Seite eingeschwärzt, so daß nichts mehr von der heiligen Schrift übrigblieb. Die christliche Religion in ihrer mächtigen Tradition zu neutralisieren, war die erklärte Absicht des Künstlers. Gekoppelt mit den Tonbandaufnahmen der Straßenbefragungen soll(t)en die geschwärzten Bibeln die Menschen dazu bringen, über ihr Verhältnis zum Christentum und die Rolle der Bibel nachzudenken. Das Tuschebecken stand während der gesamten Ausstellungsdauer jedem Interessierten zur Verfügung, um seine Bibel darin einzutauchen. Und im Laufe der Zeit füllte sich das Regal ganz allmählich mit “schwarzer Bibelkunst”.
Doch warum sieht Noritoshi…