Justin Hoffmann
Norbert Radermacher
Staatsgalerie moderner Kunst, München, 20.9. – 3.11.1991
Es ist ein sehr bescheidener Anspruch, den Norbert Radermacher hinsichtlich der Perzeption seiner Arbeiten hat. Radermacher produziert fast ausschließlich Kunst für den öffentlichen Raum. Doch geht es ihm nicht darum, an den gewählten Orten besondere Aufmerksamkeit zu erregen oder durch spektakuläre Manipulationen den Betrachter in seinen Bann zu ziehen. Radermacher kalkuliert damit, daß seine Arbeiten nicht beachtet werden, was sie gleichsam als Metaphern für die Stellung der Kunst in der Gesellschaft überhaupt erscheinen lassen. Es genügt ihm, wenn seine Inszenierungen durch Zufall gesehen werden. Sein Interesse liegt im subtilen Eingriff in urbane Situationen, die kaum Kunst erwarten lassen: Unterführungen, Straßenkreuzungen oder ein Parkhaus. Radermacher richtet sein Augenmerk quasi auf die Regionen, die außerhalb unseres gewohnten Blicks an den Randbereichen der Wahrnehmung liegen, die zwar täglich durchquert und benutzt werden, aber als funktionale, “häßliche” Topoi ausgewiesen sind. Er errichtet Markierungen für eine Poetisierung des Alltäglichen.
Aber was zeigt ein Künstler des Außenraums in einer Retrospektive seiner Arbeiten in einem Museum? Norbert Radermacher versucht, dieses Paradoxon durch eine Installation zu lösen, die eine Synthese zwischen Kunstwerk und Dokumentation bildet. In einem Raum der Staatsgalerie präsentiert der Künstler achtzehn “Stücke für Städte”. Jeweils zwei Diabetrachter sind in achtzehn Sockeln so versenkt, daß es dem Rezipienten möglich ist, in einer angenehmen Körperhaltung in die kleinen Betrachter zu blicken. Auf einem der beiden Dias wird vorwiegend die Arbeit Radermachers, auf dem anderen mehr ihr urbanes Umfeld gezeigt. Der Rezipient muß sich bei jeder Arbeit im Halbkreis bewegen,…