Michael Hübl
NOH Suntag: Ausnahmezustand
»Spiegelverhältnis«
Württembergischer Kunstverein, Stuttgart, 1.3. – 18.5.2008
Sind Megapixel ein Produkt des Kommunismus? Wer die Farbaufnahmen betrachtet, mit denen NOH Suntag im Württembergischen Kunstverein seine Ausstellung „Ausnahmezustand“ eingerichtet hat, könnte auf den Gedanken kommen, dass es sich bei den Massenaufläufen, die da mit dem Fotoapparat festgehalten wurden, um eine Vorform digitaler Bilderzeugung handelt, die in riesigen Stadien durchexerziert wurden. Hier wäre statt in dpi in dpm, dots per metre, zu rechnen: Jede Volksgenossin, jeder Volksgenosse steht für ein Pixel – mit einem farbigen Karton in Händen. Zu Tausenden, dicht an dicht in die Luft gehoben ergeben die Farbpappen riesige Bilder: bunt, plakativ und durchdrungen vom Pathos einer makellosen Zukunft. Der gesamte Bildkanon proletarischer Glückseligkeit, wie er im ehemals real existierenden Sozialismus Standard war, wird da von den revolutionären Massen ausgebreitet – von klassenbewussten Fahnenträgerinnen bis hin zu saftigen Weiden und glücklichen Schweinen, die den unaufhaltsamen Fortschritt der Landwirtschaft repräsentieren.
NOH Suntag ist Südkoreaner, die Aufnahmen entstanden jedoch im Norden des seit 1945 auf Vorschlag der USA entlang des 38. Breitengrads geteilten Landes. Die Tatsache, dass da ein Künstler aus dem freien Westen (der im Fall Koreas im Süden liegt) Szenen aus einem autokratischen Gesellschaftssystem des Ostens (hier: Nordens) dokumentiert, bedeutet allerdings keine Fortsetzung des Kalten Krieges mit fotografischen Mitteln. NOH Suntag dokumentiert vielmehr die anhaltende Dauer eines Kalten Kriegs, der als permanenter Ausnahmezustand auf der ostasiatischen Halbinsel lastet. Und so wiederholen sich die Motive der Fotografien aus dem Norden in denen des Südens. Den Massen, die…