Michael Hübl
Noch erschütterbar?
»Kritische Gesellschaften«
Badischer Kunstverein, 25.3. – 20.11.2005
Wäre es nach Friedrich Schiller gegangen, so hätten sich die gesellschaftlichen Bedingungen fortwährend verbessert. Schillers zivilisatorisches Konzept sieht eine “ästhetische Erziehung des Menschen” vor, die das schaffen sollte, was nach bundesrepublikanischem Sprachgebrauch gerne als “der mündige Bürger” bezeichnet wird. Das aufgeklärte, kritikfähige und von daher ethisch gefestigte Einzelwesen bildet demnach die Voraussetzung für ein freiheitliches, demokratisches Gemeinwesen. Allerdings hegte Schiller Zweifel an der raschen Vollendung seines Ideals. In der Diktion seiner Zeit schreibt er 1793 in den Augustenburger Briefen: “Man wird in andern Welttheilen den Negern die Ketten abnehmen, und in Europa den Geistern anlegen.” Blanker Zweifel an den Möglichkeiten der Demokratie? Eine Vorschau auf die Folgen der Globalisierung? Aus heutiger Perspektive stellen sich manche von Schillers Beobachtungen und Überlegungen als Erkenntnisse dar, in denen sich, avant la lettre, die Dialektik der Aufklärung abzeichnet, und so scheint es nur konsequent, dass gerade die Frankfurter Schule, in ihren Bemühungen, die zerstörerischen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts zu ergründen, auch auf Schiller zurückkam – in durchaus kritischer Distanz zu seinem Idealismus, aber zugleich mit Würdigung der präzisen Wahrnehmung historischer Entwicklungen und der fortschrittlichen ethischen Maßstäbe, die Schiller setzte.
Hinter den gesellschaftstheoretischen Konzepten eines Adorno, Horkheimer und nicht zuletzt eines Ernst Bloch steht bei aller Skepsis und bei aller Differenz der philosophischen Positionen die utopische Zuversicht, dass sich die sozialen, politischen und materiellen Bedingungen der gesellschaftlichen Verhältnisse zum Besseren verändern lassen. Alles wird gut, wenn nur die Verblendungszusammenhänge zerrissen, zerstört, aufgeklärt werden. Blickt man unter diesem…