Sonja Eismann
Nischen-Kritik
Vereinnahmungen und Widerstandspotentiale im popfeministischen Feld
Im Rahmen der Vortragsreihe „Kritik nach der Kritik“ an der Zürcher Hochschule der Künste fragten die Veranstalter, wie es sich mit einer (feministischen) „Popkulturkritik in Theorie und Praxis“ verhält. Der folgende Referatstext greift die Debatte auf und Antwort darauf, indem darin zwei grundlegenden Fragestellungen zur Sprache kommen: Wieso braucht es heute überhaupt noch Kritik innerhalb der Popkultur? Wieso sollte es dazu ausgerechnet eine idelogi(ekriti)sche Form von Kritik brauchen, in diesem Fall aus feministischer Perspektive?
Pop und Gleichberechtigung als das Allgemeine
Betrachten wir die gegenwärtige gesellschaftliche Situation, wie sie sich uns, gespiegelt durch Gesetzestexte und Institutionen, Medien und Alltagspraxen, darzustellen scheint:
Zum einen ist die rechtliche Gleichstellung von Frauen und sogenannten Minderheiten längst erreicht und gesetzlich verankert, Werte wie Emanzipation werden institutionell gefördert – es gibt Gender-Studies-Studiengänge, Gender-Mainstreaming-Leitlinien sowie Diversity Management.
Zweitens „scheint“, wie Diedrich Diederichsen schon 1997 weitsichtig diagnostizierte, heute „schier alles Pop zu sein“ (Diederichsen: 273). (Abb. 1) Er unterscheidet zwei verschiedene Phasen oder Konzepte von Pop: Pop I und Pop II. Während früher Pop „für den von Jugend- und Gegenkulturen ins Auge gefassten Umbau der Welt, insbesondere für den von der herrschenden Wirtschaftsordnung verkraft- und verkaufbaren Teil davon (stand): sexuelle Befreiung, englischsprachige Internationalität, Zweifel an der protestantischen Arbeitsethik und den mit ihr verbundenen Disziplinarregimes, aber auch für Minoritäten und ihre Bürgerrechte und die Ablehnung von Institutionen, Hierarchien und Autoritäten.“ (ibd.)
Diederichsen bezeichnet diese Phase als „Pop I (60er bis 80er, spezifischer Pop)“ (ibd: 275) –, so ist der Pop II ab den 1990ern der „allgemeine Pop“…