Uta Maria Reindl/Gabriele Rivet
Nino Longobardi
Galerie Bugdahn & Szeimies Düsseldorf, 6.3.-30.4.1987
Er irritiert mit Gegensätzen im Balanceakt zwischen Tradition und Provokation, gleichsam mit seiner Direktheit. Wer Nino Longobardi als einen Transavantgardisten würdigt, der muß sich von dem napolitanischen Maler, Zeichner und Installationskünstler eines besseren belehren lassen: Er begreift sich lieber als einen Sohn seiner Region, als »Erbe des alten Pompeji oder des antiken Griechenlands« – das jedenfalls gestand Longobardi selbst auf seiner Düsseldorfer Ausstellung bei Bugdahn & Szeimies nicht ohne ein Augenzwinkern. Mit nahezu klassischer Hand definiert er in den jüngeren, großformatigen Gemälden Menschen- und Tiergestalten in dunklen Umrissen und plaziert diese in die Bildmitte. Diese schlichten Figurationen, an etruskische Darstellungen erinnernd, moduliert Longobardi reliefartig. Dunkle Konturen graben sich als Furchen in die weißtonige Farbschicht aus Gips und Öl. Der Hell-Dunkel-Kontrast wird unterstrichen durch den strukturellen Gegensatz, da die konzentrierte Linienführung, das zumeist ästhetizistisch aufgefaßte Motiv der Stilleben von einer pulsierenden, in Wirbeln bewegten Farbmasse umgeben ist. An diesen Arbeiten wird das Zusammenspiel von »extremer Direktheit und Gewalt« deutlich, welches Longobardi, ein Verehrer Caravaggios, an den Arbeiten des italienischen Renaissancemalers ebenso bewundert wie dessen rasches Arbeitstempo, denn Longobardi selbst realisiert seine Gemälde und Installationen meistens in einem einzigen Arbeitsgang, an einem einzigen Tag.
Die Atmosphäre der Unruhe, das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Ordnungen, was letztlich das Chaos ja ist, wurde Thema einer Serie von Arbeiten unter dem Titel »Terremoto«, in denen Longobardi seine tiefe Bewegtheit ausdrückt, nachdem er im Jahr 1980 das Erdbeben in Neapel am eigenen Leib erfahren hatte. Das Erlebnis der Naturkatastrophe…