Jürgen Raap
Neue sowjetische Kunst
Galerie Krings-Ernst, 7.4.-1.7.1989
Gleich dreimal präsentierte sich in diesem Frühjahr russische Kunst in Köln: Vadim Zakharov bei Sophia Ungers, junge Avantgarde in den Räumen des BBK, die Ateliergemeinschaft Furmannij-Str. aus Moskau, Durchschnittsalter: 30 Jahre, und eine zweite Künstlergruppe mit 40 Jahren Altersdurchschnitt in der Galerie Krings-Ernst. Exilanten, Privilegierte, die ohne Visumprobleme zwischen Ost und West hin- und herreisen, offiziell Anerkannte und einstige Untergrundkünstler aus Riga, Leningrad und Moskau geben sich mittlerweile an den Pforten hiesiger Museen und Galerien die Türklinke in die Hand. Die Mehrheit der bei Krings-Ernst Ausstellenden gehört nicht dem sowjetischen Künstlerverband an, aber die Unterscheidung zwischen “offiziell” und “inoffiziell” ist durch den Glasnost-Boom im Ausstellungswesen generell belanglos geworden. Ein Malverbot hatte es in der UdSSR auch in Zeiten repressiver Kulturpolitik nie gegeben, und Alexander Kulikows Abstraktionen mit raumillusionistischen Streifen und Kurvenformen sind auch für westliche Kunstverhältnisse so eigenwillig, daß manch hiesiger Ausstellungsmacher seine liebe Not damit gehabt hätte, kämen diese Arbeiten von einem West-Künstler.
Die bisherige Präsentation aktueller sowjetischer Kunst in bundesdeutschen Museen und Kulturinstituten verriet deutlich die Ankaufspolitik des Ehepaares Ludwig als Kunden des Künstlerverbandes. Bei aller stilistischen Vielfalt war und ist dieser etablierten Kunst ein Moment des Traditionalismus, ein Aufarbeiten der Kunstgeschichte und das Einbeziehen volkskundlicher und volkskünstlerischer Elemente gemeinsam. Der von Krings-Ernst vertretene Igor Kopystianskij treibt damit ein ironisches Spiel – er kopiert überliefertes Bildgut in pseudo-dekorativer Kulissenmalerei, legt dabei die kompositorische Zerrissenheit als Diptychon an, in welchem sich die in den Einzelteilen zerstörten Partien zu einer Einheit ergänzen. Seine Frau Svetlana…
