MICHAEL STOEBER
Neue Sachlichkeit in Hannover
Sprengel Museum, Hannover, 9.12.2001 – 10.3.2002
Die Bilder sind erhellend gehängt. Sie zeigen ein Sujet, wie es für die Neue Sachlichkeit charakteristischer nicht sein könnte. Für jene Kunstrichtung, die in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts kühl registrierend Alltagsphänomene in den Blick nimmt und so in ihren Bildern die gesellschaftlichen Veränderungen der Zeit festhält. Es handelt sich um das Thema der Frau im Cafe. Sie, die allein und ohne Begleitung des Mannes als Konsumentin ein Cafe aufsucht, verkörpert in der Weimarer Republik einen neuen, selbstbewussten Typ von Frau. Der fragt nicht mehr beim Manne um Erlaubnis nach, ob er ausgehen darf, wenn er möchte. Schubkraft hat diese frühe Emanzipationsbewegung durch die Turbulenzen des Ersten Weltkrieges gewonnen, als gewohnte Rollenbilder durcheinander gerieten, nicht zuletzt weil Frauen an der Heimatfront männliche Arbeitsaufgaben übernehmen mussten und auch problemlos dazu in der Lage waren.
Das erste Bild stammt von Otto Dix und zeigt die Journalistin Sylvia von Harden. Es ist 1926 entstanden, ein Jahr, nachdem der in Gera geborene Maler von Düsseldorf nach Berlin übergesiedelt ist. Das Leben der Metropole beatmet das Werk, das mit seinen kalten Farben und präzisen Formen ein Geniestreich ist, eine Ikone neusachlicher Porträtierungskunst. Die Frau am Cafetisch, rauchend, einen Drink neben sich, schaut mit einem großen Monokel am Betrachter vorbei aus dem Bild. Was sie wahrnimmt, ist der Stoff, von dem sie sich als Autorin nährt, Menschen und Schicksale, die in ihren Feuilletons wiederkehren. Ihre Hände, Haltung und Züge haben etwas Spinnenartiges, Vampiristisches. Eine Bestie des…