UTA M. REINDL
NATUR ZWISCHEN HEXENDENKMAL UND SANKTUARIUM – FÜR HERMAN DE VRIES IST DIE WELT POESIE
I. ICH HASSE KUNST IN DER NATUR1
Umgeben von Büschen und Bäumen oder nackt im Schnee stehend, die Arme weit ausgebreitet, das weißbärtige Gesicht zufrieden lächelnd oder auch inmitten eines Seerosenteichs, die geöffnete Blüten2 in den Händen ernst betrachtend. So ekstatisch oder versunken inszenierte sich herman de vries für einige Fotoporträts in der freien Natur. Seine Sammlungen und Publikationen widmen sich aphrodisischen und halluzigenen Pflanzen, so etwa die “zeitschrift für geistbewegende pflanzen und kultur”. Auch machte de vries existenzielle Erfahrungen mit Drogen, wenn er sich durch LSD vom chronischen Asthma befreien konnte. Über das heute noch von Naturheilkundlern verschriebene Beruhigungskraut Belladonna drehte der Holländer einen Film. Getrocknetes Eisenhut, Mutterkorn, die Tollkirsche oder Baldrian erhebt de vries in Holzrahmen zu “hexendenkmäler(n)”. Seit den neunziger Jahren gedenken die “sanctuarien”, eingezäunte und ummauerte Schutzräume für Pflanzen in Stadt und Land. Zelebriert de vries mit seinen Auftritten und Präsentationen Naturmagie oder gar sich selbst als magischen Vermittler? Oder will er der Natur ein Monument setzen? Das Eine wie das Andere trifft zu. Der Künstler bewegt sich im Grenzgang zwischen geistes- und naturwissenschaftlichen Referenzen auf die Natur, er ästhetisiert sie ganz konkret, lotet spielerisch Grenzen aus, wobei stets die spirituelle Erfahrung im Vordergrund steht. Und diese ist real und weltfreundlich mit großer Achtung vor der Natur, aber frei von jedem ökologischem Vorwurf über die bedrohte Natur als gesellschaftspolitische Instanz, frei von esoterischem Okkultismus oder den mystifizierenden und entsprechend strukturierten Bildwelten…