Heinz Schütz
Nationale Selbstbespiegelungen
Münchner Galerien stellen zum Thema “Das eigene Land” aus, 23.5. – 31.7.1985
Bereits im Herbst letzten und vorletzten Jahres referierten Schriftsteller, Filmemacher, Journalisten und Politiker auf der Bühne der Münchner Kammerspiele über ein Thema, das sich auch Münchens Galerien in der Maximilianstraße zu eigen machen. Ihre jährliche Gemeinschaftsausstellung stellen sie – im Sinne einer Parallel- und Ergänzungsveranstaltung zum diesjährigen Theaterfestival – unter das Motto “Das eigene Land”. Sie leisten damit einen Beitrag zur Hochkonjunktur nationaler Selbstbespiegelungen, die – wie jüngst – selbst Kirchentage nicht mit einem Thema wie “Die Deutschen und ihre Identität” verschont. Die im Beiheft des Theaterfestival ausgestellte programmatische Behauptung allerdings, daß “das eigene Land” derzeit bei uns die deutlichste vorherrschende Emotion im künstlerischen Schaffen sei, wird nicht nur durch die Festivalbeiträge – sieht man etwa von den Filmen wie Reitz’ “Heimat” und Syberbergs “Hitler” ab – selbst widerlegt.
Auch die einzelnen Galerien nehmen nicht alle gleichermaßen auf das Thema Bezug. “Das eigene Land” als Landschaft zu verstehen, liegt nahe. Die in der Galerie Gunzenhauser ausgestellten Bilder Reiner Wagners gehen von süddeutschen Landschaften aus, doch verflüchtigen sich die zu harmonischen Färb- und Formrhythmen stilisierten Hügelketten allzuleicht in dekorative Unverbindlichkeit. Die Motive Franz Lenks (Galerie von Abercron) – Landschaftspanoramen, Burgen, Fachwerkhäuser – geben seinen aus neusachlicher Distanz gemalten Bildern einen neoromantischen Anflug, der heute, einige Jahrzehnte nach ihrer Entstehung, zeitgenössischer Nostalgie nach Geborgenheit, Identifikation und Überschaubarkeit entgegenkommt. Ob jedoch Landschaft – wie etwa im 19. Jahrhundert der hochpolitische Mythos vom “deutschen Rhein” – noch nationale Identitäten stiften kann,…