Berlin
Nation, Narration, Narcosis
Collecting Entanglements and Embodied Histories
Hamburger Bahnhof 28.11.2021 – 03.07.2022
von Ingo Arend
Ein Fahnenmeer in schwarz auf einem kreisrunden Konferenztisch. Dahinter ein Stapel rosafarbenen Papiers auf einer Palette auf dem Boden, eines davon hängt an der Wand. „The Forest Curriculum – How to build a nation“ und „Body Pressure“. Die zwei Werke im Eingangsraum der Ausstellung erhellen noch am ehesten einen Titel, der neugierig macht. Fahnen zählen zu dem unvermeidbaren, symbolischen Repertoire, das Nationen samt ihren Narrativen bildet. Das Besondere an diesen Fahnen ist, dass sie zu einem gleichsam nicht-nationalstaatlichen Gebiet gehören – Zomia. So taufte der amerikanische Politologe und Anthropologe James C. Scott einen Höhenzug in Südostasien, der sich von Vietnam bis China zieht. Deren 100 Millionen Köpfe zählende Bevölkerung, eine Mischung diverser Minderheiten, hat er zu einem fiktiven „Staat“ zusammengezogen und mit einer Fahne ausgestattet, die mit dem Symbol des Baumes die Natur, nicht das menschliche Konstrukt Staat, ins Zentrum stellt. Damit signalisierte er eine Art Kritik des Anthropozän, als es den Begriff noch nicht recht gab. Scotts Idee dient der nomadischen Plattform „The Forest Curriculum“ als Inspiration, die sich der Kritik dieser Ära verschrieben und die Installation gestaltet hat.
Den künstlichen Gegenpart stellt die papierene Gebrauchsanweisung von Bruce Naumans Performance-Arbeit aus dem Jahr 1974 dar. Sie markiert die physische, körperlich erfahrbare Grenze, die mit Nationenbildung einhergeht. In Gestalt der globalen Fluchtbewegungen der letzten Dekade erfährt sie derzeit eine brutale Aktualität. Die Anweisungen auf dem rosafarbenen Papier fordern Museumsbesuchende dazu auf, sich mit dem Körper eng an…