Nan Goldin
Es sind Freunde, die Nan Goldin mit der Kamera beobachtet, Menschen, die sie nicht nur flüchtig kennt, sondern die ihr nahestehen, nahegestanden haben. Was die Kamera einfängt, sind private Momente, Augenblicke, die dem gierigen Kameraauge gewöhnlich verborgen bleiben, selbst der unerbittlichen Meute der ‘Prominentenjäger’. Was die Kamera festhält, sind besondere Situationen, Konstellationen, bildnerische Ergebnisse eines langen Beobachtungsprozesses. Die Fotografin ist vertraut mit den ‘Modellen’ ihrer Kameraarbeit, die ‘Modelle’ stören sich nicht (mehr) an der Anwesenheit des Apparates. Dem Voyeurismus der Autorin entspricht der Exhibitionismus der Darsteller. Der dokumentarische Gestus auf die Spitze getrieben bringt ‘Theater’ hervor – höchste Authentizität ist das Synonym für größtmögliche Fiktion. Das fotografische Bild verwandelt sich in eine Dar-, das Leben der Akteure in eine Vorstellung. Gleichwohl erleben wir die Vorstellung aufgrund der natürlichen oder gespielten Unbefangenheit der Darsteller als ein Stück Wirklichkeitswiedergabe, womit uns unwillkürlich die Rolle des Schlüssellochguckers zufällt. Ausschließlich in der exhibitionistischen Darbietung läge die Überwindung des Privaten, der die Betrachter zu Voyeuren stempelt, und weise den Weg zum Exemplarischen. Wie es sich wirklich verhält, läßt Nan Goldin offen, überantwortet die Frage unserer Fantasie.