STEFAN BANZ
Näher an der Wirklichkeit
MUHAMMAD ALI, FRANK ZAPPA, BRUCE NAUMAN
LINEAR VERSUS NICHTLINEAR
Linearität ist nach logischen Kriterien die nachvollziehbare Form eines Ausdrucks. Sie ist eine Reduktion, eine Vereinfachung von Phänomenen – eine Stilisierung. Das heißt, sie ist etwas Künstliches, etwas Geschaffenes, das eine Differenz zum Leben, zur “Natürlichkeit der Wirklichkeit” schafft.
Nichtlinearität, als sowohl rationale als auch irrationale Bedingtheit, dagegen ist “paradox”, “chaotisch”, “natürlich”. Wobei Nichtlinearität in einem bedingungslosen Sinne “Natur als Vollkommenheit” wäre und ebenfalls eine Differenz zur “Natürlichkeit der Wirklichkeit” schaffen würde, weil diese immer schon ein bedingtes, mehr oder weniger unüberblickbares Wuchern von gleichzeitig linearen und nichtlinearen Hervorbringungen ist.
“Vollkommene” Nichtlinearität wäre also nichts anderes als die Linearität des Nichtlinearen, eine Linearität des Sekundären, eine Abstraktion, eine Aufrundung des Chaotischen in die Einheit der Unüberblickbarkeit, des einfach Beliebigen, des radikal Universalen.
Nichtlinearität als eine “bedingte” Form des Nichtlinearen dagegen ist in gewissem Sinne Synonym für Leben. Und gerade diese Nichtlinearität der “paradoxalen Bedingtheit”, diesen Ausdruck des “Natürlichen” oder “Wirklichen”, versuchen wir in unserer Rezeption meist sowohl unbewusst als auch systematisch zu vermeiden. Denn je nichtlinearer die Nichtlinearität in ihrer Bedingtheit ist, desto komplexer und schwieriger ist sie für uns rezipierbar, weil die Rezeption in unserem konventionalisierten, gesellschaftlichen Sinne selbst ein lineares oder rationales Phänomen der Wahrnehmung ist: ein Effekt der Linearität, wobei paradoxerweise gerade über das Sammeln unterschiedlicher linearer Phänomene, eine persönlich kreierte Form des Nichtlinearen entstehen kann.
Ausstellungen, wie wir sie zum Beispiel von Harald Szeemann her kennen – der Hang zum Gesamtkunstwerk, Hundert Jahre Film, Weltuntergang und Prinzip Hoffnung,…