STEFANIE HAARKAMP
“My Lifestyle Works For Me”
FOTOSERIE STYLE, 1996
Vom Stil zur Stilisierung
Wenn ein Individuum einen bestimmten Stil hat, dann äußert sich dieser sowohl in seinem sozialen Verhalten gegenüber anderen Individuen, als auch in Auswahl und Integration der Elemente seines unmittelbaren Lebensraumes. Bis zum 18. Jahrhundert war ‘Stil’ allerdings ausschließlich ein Fachbegriff des literarisch-rhetorischen Gattungssystems und bezog sich auf die ‘hohe’, ‘mittlere’ und ‘niedere’ Stilform des sprachlichen Ausdrucks. Weil durch diese rhetorische Regel der einzelne Sprecher nicht hervortrat, wurde der Zusammenhang von Stil und Sprache von dem französischen Schriftsteller und Philosophen Jean-Jacques Rousseau kritisiert; bereits damals forderte jener die Entdeckung der ‘Individualität’.1
Indem die klassische Stilvorstellung in Frage gestellt wurde, verschob sich der Stilbegriff von der Literatur in den Bereich der Lebenswelt. Diese Überwindung der literarisch geprägten Stilauffassung ermöglichte es, einen konkreten Zusammenhang zwischen Stil und Mode herzustellen. In der deutschen Zeitschrift ‘Journal des Luxus und der Moden’ (Ersterscheinung etwa 1785) wurden Modetips nicht allein auf Kleidung bezogen, sondern in den Zusammenhang mit modischen Verhaltensweisen und Sitten gestellt – die Presse regte somit auf neue Weise zu modischer Stilisierung an. “Modische Orientierung (…) impliziert einen modischen Habitus, ein modisch-ästhetisches Muster, ein Gesamtgefüge, das stilecht ineinanderspielt.”2
Der Dandy, eine Modeerscheinung, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch den Schriftsteller Oscar Wilde Berühmtheit erlangte, besaß ‘Stil’, weil er sich eigenartig kleidete und damit Maßstäbe setzte. Die Dandys entwickelten ein neues Modebewußtsein, “einen neuen aristokratischen Geschmack, der die utilitaristischen Werte der bürgerlichen Gesellschaft durch die Hingabe ans schöne Detail vor den Kopf stößt.”3 In…