Muttererde. Heimat im Material
von Rosa Windt
Landschaften, bestimmte Gerüche, Orte, Traditionen und Routinen können, oftmals in Verknüpfung mit der eigenen Kindheit, ein starkes Gefühl von Heimat und diffuse nicht zwingend positiv konnotierte Vertrautheit und Identität bestimmen. In einem beinahe unabdingbaren Prozess innerhalb der Adoleszenz kommt es vielfach zu einem zeitweiligen oder auch endgültigen Bruch mit einem Konstrukt aus Erinnerungen, Emotionen und eingeschriebenen Begrifflichkeiten. Wo Heimat tatsächlich ist, ist sie der größten Willkür unterlegen, der größten Ungerechtigkeit und dennoch bedingt sie zuweilen Stolz und Nostalgie, und allein an Ländergrenzen gebundene Privilegien, Sicherheit und Freiheit. Innerhalb der Bildenden Kunst sind insbesondere Landschaftsdarstellungen seit dem Mittelalter zum Verhandlungsort von Heimat geworden und dienten hier der Einbettung religiöser Motive. Innerhalb der flämischen und niederländischen Malerei im 16. und 17. Jahrhundert [02] wird Heimat in alltäglichen Situationen und Umgebungen wiedergegeben, während die Industrielle Revolution eine erneute Hinwendung zur Landschaft als Ort der Idylle und Sehnsucht hervorruft.
Einer fortschreitenden Globalisierung und Digitalisierung werden gegenwärtig in einem ähnlich begründeten Bedürfnis nach Orientierung lokale und analoge Lösungen entgegengesetzt.1 In einer allgemein unbeständigen Gemengelage aus Kriegen, Klimakrise und wirtschaftlichen Unsicherheiten lässt sich parallel ein Trend zum Selbstgestalten, zu handwerklichen, hobbygärtnerischen und hobbykünstlerischen Tätigkeiten beobachten. Der größte Luxus innerhalb einer westlichen Wohlstandsgesellschaft ist es gegenwärtig, offline zu gehen und sinnliche Erfahrungen zu machen. Neben Spaziergängen in der Natur, Stricken und Häkeln, zählt insbesondere auch Töpfern zu einem hohen Gut der Selfcare. Der taktile Umgang, das Produzieren von etwas Einzigartigem von Hand als Selbstvergewisserung setzt sich stark virtuellen und digitalen Realitäten entgegen und…