Christian Kravagna
Museumsquartier – Wien
Die Mumie einer Idee
Im Herbst 1990 konnten Sie im KUNSTFORUM, Bd. 110, unter dem Titel “Museumsquartier” u.a. lesen: “Erstmals in ihrer siebzigjährigen Geschichte plant die Republik Österreich ein umfangreiches modernes Kunst- und Kulturzentrum. Es soll im Herzen Wiens, und zwar auf dem Areal der ehemaligen kaiserlichen Hofstallungen, bis zur Weltausstellung Wien – Budapest im Jahre 1995 errichtet werden.” Der dies schrieb, der Kunsthistoriker Dieter Bogner, war damals wenige Wochen zuvor zum Konzept-Koordinator für das Museumsquartier ernannt worden. Mit Bogners Rücktritt von seiner Funktion im August 1994 hat die langjährige Diskussion um das kulturelle “Prestigeprojekt” der Republik einen vorläufigen Tiefpunkt erreicht. Was war geschehen, daß der Mann, der vier Jahre lang die undankbare Mittlerrolle zwischen den politisch Verantwortlichen, der Öffentlichkeit, den beauftragten Architekten und den Projektgegnern auszufüllen hatte, nun endgültig das Handtuch warf?
Die Tatsache, daß zu einem Zeitpunkt, wo der Bau bereits fertiggestellt sein sollte, noch nicht einmal ein Termin für einen Baubeginn feststeht, wäre – obwohl an sich bedauernswert genug – noch nicht Anlaß zur Resignation gewesen. Wie viele andere, die seit Otto Wagner am Diskussionsprozeß um ein zu errichtendes Museum der Moderne beteiligt waren, hatte auch Bogner die Zeitrechnung der österreichischen Kulturpolitik irgendwann einschätzen gelernt. Das Problem zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegt denn auch vielmehr in der sich nun tatsächlich abzeichnenden Konkretisierung und der damit erkennbar gewordenen inhaltlichen Umpolung. Diese kann vorwegnehmend als eine Wandlung vom gegenwarts- und zukunftsorientierten multifunktionalen Kulturzentrum zum national-konservativen Museum der österreichischen Seele beschrieben werden. Genau da, von wo man ursprünglich mit…