VITUS H. WEH
Museumsquartier Wien
Hinter alten Fassaden wächst eines der größten Kulturzentren Europas heran
Österreich hat es zu zweifelhaftem Ruhm gebracht. Alle Zeitungen der Welt sind derzeit voll mit Berichten über den “kleinen Alpenstaat” (Wolfgang Schüssel). Nach der Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen FPÖ machen sich selbst die Feuilletons so ihre Gedanken: über Moral und Politik, über die Notwendigkeit eines europäischen Wertekanons oder gar den homoerotischen Feschismus (Ulf Poschardt, SZ) von Jörg Haider. In dieser Situation nicht zur politischen Analyse anzuheben, sondern nur über ein österreichisches Bauprojekt zu berichten, erscheint da geradezu ignorant. Dabei ist das Wiener Museumsquartier wahrscheinlich symptomatischer für Österreich – und zwar gerade in seinen Schwierigkeiten – als vieles andere, das momentan diskutiert wird.
Das Wiener Museumsquartier ist das ehrgeizigste Kulturprojekt seit Bestehen der Republik Österreichs. Zugleich ist es auch sein einziges. Dennoch ist das Projekt so gut wie unbekannt. Laut einer jüngst durchgeführten Umfrage wissen gerade einmal die Wiener und Wienerinnen, dass im Areal der ehemaligen kaiserlichen Hofstallungen derzeit ein “Museumsquartier” gebaut wird. Aber selbst von diesen haben 80 Prozent keine Ahnung, was genau das ist.
Dabei wird es bald Angelpunkt eines der größten Kulturzentren Europas sein, zusammen mit dem von Gottfried Semper Ende des 19. Jahrhunderts konzipierten “Kaiserforum” (Kunst- und Naturhistorisches Museum, Neue Burg) sogar größer als der Pariser Louvre. Das neue, dichtgedrängte Museumsquartier wird unter anderem die Spielstätten der Wiener Festwochen, des Filmfestivals Viennale und der Internationalen Tanzwochen beherbergen, daneben das Domizil der Sammlung Leopold, die den Beginn der Wiener Moderne um 1900 dokumentiert (Egon Schiele, Gustav Klimt, Oskar…