Marius Babias
Museumspoker
Hamburger Bahnhof im Zwielicht
Am 25. Juni 1993 fand in der Neuen Nationalgalerie, Berlin, eine Krisensitzung statt. Einziger Tagesordnungspunkt: die Zukunft des “Hamburger Bahnhofs”, der ab 1995 die Sammlung Erich Marx aufnehmen soll. Teilnehmer der Runde: Wolf-Dieter Dube, Generaldirektor der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, der Direktor der Neuen Nationalgalerie, Dieter Honisch, und sein Mitarbeiterstab, die Leiter von Kupferstichkabinett, Kunstgewerbemuseum und Kunstbibliothek und der zum damaligen Zeitpunkt designierte Bahnhofsvorsteher Wulf Herzogenrath. war, zum Unterabteilungsleiter degradiert worden. Seitdem weiß die ganze Stadt Bescheid, schweigen die Politiker und die Feuilletons, gilt Heiner Bastian als Drahtzieher hinter den Kulissen.
Der “Hamburger Bahnhof’, 1846/47 gebaut und seit 1884 für den Eisenbahnverkehr nicht mehr eingesetzt, soll das Glanzstück der Stiftung Preußischer Kulturbesitz werden. Vler Museen übernehmen für das vom Architekten Josef Paul Kleihues umgebaute Gebäude an der Invalidenstraße die Patenschaft: die Neue Nationalgalerie, das Kunstgewerbemuseum, die Kunstbibliothek und das Kupferstichkabinett. Kernstück des neuen Museums wird die Berliner Sammlung Marx mit ganzen Werkblöcken von Joseph Beuy s, Anselm Kiefer, Robert Rausehenberg, Cy Twombly und Andy Warhol. Die Sammlung Marx soll gemeinsam mit Leihgaben aus den vier Instituten “ein möglichst umfassendes Bild der verschiedenen visuellen Ausdrucksformen der Gegenwartgeben”, wies offiziell heißt. Zugleich soll der “Hamburger Bahnhof’ Wechselausstellungen präsentieren und die Sammlung durch Neueinkäufe permanent aktualisieren. Werden diese Neueinkäufe auch gegen den Willen des Sammlers durchzusetzen sein?
Mit Peter Klaus Schuster, Direktor der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel, wurde schnell ein Nachfolger für Herzogenrath gefunden. Schuster, Spezialist der Kunst des 19. Jahrhunderts, wurde von Dube beauftragt, die notwendigen Abstimmungsgespräche zu…