Martin Blättner
… moralische Gleich-Gültigkeit?
Über den Streit um Karl Prantls Steinplatten aus der »grossen Strasse«
Daß die in der Kunsthalle Nürnberg ausgestellten Steinplatten allein schon deshalb eine Vielzahl von Fragen aufwerfen mußten, weil sie vom ehemaligen NS-Aufmarsch-Gelände stammen, war eigentlich vorauszusehen. Um so mehr verwundert deshalb, daß der Diskurs um Karl Prantls “Steine der Großen Straße” erst Wochen nach dem Ende der provokanten Skulptureninstallation mit desto größerer Schärfe ausgetragen wird. Eine Ursache für diese Verspätung war die Abwesenheit des Kunsthallenchefs zum Zeitpunkt des ersten “Steinwurfs”, der “ins Rollen gebracht” wurde. Lucius Grisebach fiel nämlich erst nach seiner Urlaubszeit die wortgewaltige Attacke des ehemaligen Kulturreferenten und -Philosophen Hermann Glaser gegen Prantls angebliche “moralische Gleich-Gültigkeit” auf. Glasers unter der Rubrik “Polemik” zu lesende “Stadt-Rand-Kolumne” war in der Juli-Ausgabe des für Skandalträchtiges fast immer guten “Plärrer”-Magazins abgedruckt. Der Exkulturreferent unterstellte dem Österreicher naive Harmonisierungs-Absichten, die ästhetisch mißverstandene Sensibilisierungen betrieben und Geschichte “pervertieren” würden. Glaser sprach dem Künstler schlichtweg “begriffliche Trennschärfe” ab und konstatierte: “Es geht um die Aufmarschstraße, nicht um den Gang zu den Müttern.” Goethe hin, Goethe her – ein derartig “polemischer Rundumschlag” (Grisebach) meinte wohl auch den Verantwortlichen jener Ausstellung – Grisebach eben -, der sich veranlaßt sah, seinen Schützling zu verteidigen. Mit einem offenen, über zwei Seiten langen Brief setzte sich der so arg provozierte Direktor mit bislang unbekannter Scharfzüngigkeit zur Wehr: “Weder die ausgestellte Arbeit noch Karl Prantls Gesamtwerk geben den geringsten Anlaß zu solchen Urteilen. Im Gegenteil, es gibt nur wenige Künstler, für die ein Begriff wie geschichtliche Moral…