Venedig
Monte di Pietà
Ein Projekt von Christoph Büchel
Fondazione Prada 20.04.– 24.11.2024
von Reinhard Ermen
Die Schilder, die dich schon von außen aus toten Fenstern anmachen, versprechen eine „Liquidazione totale“. Ohne Umwege ins Deutsche übersetzt als „totale Liquidation“, schwingen ungute Assoziationen mit, aber „Totalauflösung“ hat noch genug vom Untergang, der hier beschworen wird. „Alles muss raus“, im Italienischen klingt das durchaus theatralisch: „Fuori tutto!!“. Christoph Büchel hat zeitgleich mit der 60. Biennale für die Fondazione Prada eine Materialschlacht inszeniert, inspiriert von der Tatsache, dass in dem prachtvollen Palazzo Ca’ Corner della Regina zwischen 1834 und 1969 das venezianische Pfandhaus residierte. „Monte di Pietà“ hießen solche Banken in alter Zeit, doch das Mitleid hielt sich in Grenzen, die Magazine waren Zwischenstationen für Pfänder, die dort auf eine neue Geldschöpfung warteten. Das geschieht heute noch wie früher, schau ins Internet und du wirst erstaunt sein, wie viele Pfandhäuser ihre Dienste anbieten. Büchel hat das prachtvolle Haus also vollgestellt mit Relikten des Allernotwendigsten, mit Fahrrädern, Rollstühlen, Waschmaschinen, Möbeln, altersschwache Fernseher plappern, Lumpen lagern in Prachtgemächern und und und. In diesem Schlussverkauf gibt es auch Zimelien und seltene Einzelstücke oder Ikonisches aus der neueren Kunstgeschichte von Beuys bis Broodhaers. Die Kontobücher des späten 18. Jahrhunderts aus dem Archiv der Banco di Napoli, diese unförmigen Folianten bilden ein eigenes Kabinett, um nicht zu sagen eine Gruft gewesener Geldbewegungen. Büchel verfügt über ein Auge für Exponate, die wirken, das Wort von der ‚Wunderkammer‘ ist schnell zur Hand, doch es geschieht mehr. Hier vergegenwärtigt sich eine Welt der Werte…