Monika Angerbauer-Rau: Beuys Kompass
Ein Lexikon zu den Gesprächen von Joseph Beuys
Im historischen Rückblick auf Joseph Beuys lassen sich zeitspezifische Schwerpunkte seiner Arbeit feststellen: In den fünfziger Jahren dominieren Zeichnungen und Skulpturen, in den sechziger Jahren Aktionen und Objekte, in den siebziger Jahren große Installationen, in den achtziger Jahren “Kunst im öffentlichen Raum”. Untrennbar mit der künstlerischen Arbeit verknüpft sind seine pädagogischen und politischen Aktivitäten. Dem vergleichbar wie er durch Fluxus zur Aktionskunst gelangt, reagiert er in der Mitte der sechziger Jahre auf die Belange der Studentenbewegung. Zur selben Zeit gewinnen das Gespräch und die öffentliche Rede für Beuys eine immer größerer Bedeutung. Sein Beitrag für die documenta 5 (1972) besteht aus einer 100-Tage-Diskussion mit den Besuchern. Er entwickelt die Idee des Museums als “Ort permanenter Konferenz”. Wie bei Rudolf Steiner, dessen Einfluss auf Beuys nicht zu unterschätzen ist, gibt es von Beuys keine schriftlichen Abhandlungen, sondern primär mündliche Äußerungen. Auf der Grundlage seines Plastikverständnisses und seines “erweiterten Kunstbegriffs” interpretiert er bereits die Erzeugung sprachlicher Laute – die Formung der Luft im Kehlkopf – als einen plastischen Akt. Beuys vertritt einen heillosen Idealismus, der den Begriff über die Sache stellt und die gesellschaftliche Wirklichkeit qua Definitionen und Bedeutungstransformationen zu verändern trachtet. Dementsprechend kommt – über die Lautplastik hinaus – dem Inhalt seiner sprachlichen Äußerung eine herausragende Rolle zu. Er gibt, “Werk- und Lebenslauf” in eins setzend, biographische Erläuterungen, er erörtert seine eigenen Arbeiten, er gibt zu den verschiedensten Anlässen Stellungnahmen ab und kreist insbesondere immer wieder um seine Idee der “sozialen…