Jörg Restorff
Mit der Mattscheibe gegen die Geschichtsvergessenheit
Ein gläsernes Mahn- und Gedenkmal erinnert an den fünfzigsten Jahrestag der Zerstörung von Chemnitz
Am 5. März 1995 jährte sich das Bombardement von Chemnitz zum fünfzigsten Mal. Durch die massiven Bombenangriffe am 5. März 1945, zwei Monate vor Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde das historische Chemnitz zu einem großen Teil ausradiert. Die prosperierende sächsische Industriemetropole, geprägt vom Bauboom der Gründerzeit, verwandelte sich binnen weniger Stunden in ein Trümmerfeld. Nach dem Krieg wurde die Ruinenlandschaft als Exerzierplatz sozialistischer Städteplanung in Beschlag genommen. Die aufgeblähten Magistralen und gesichtslosen Architekturkomplexe, die seinerzeit als mustergültige Lösungen für Platz- und Straßenraumgestaltung in der DDR galten, erscheinen aus der heutigen Warte als markante Zeugnisse von Geschichtsvergessenheit.
Um dieser im Stadtbild sich manifestierenden Geschichtsvergessenheit eine “Gegendarstellung” entgegenzusetzen, um die Erinnerung an ihre Zerstörung vor fünfzig Jahren über den Gedenktag hinaus wachzuhalten, veranstaltete die Stadt einen Wettbewerb für ein Mahn- und Gedenkmal vor dem Gebäude der Alten Post. Aus einer Konkurrenz von elf Künstlern, die Entwürfe einreichten, ging Silke Rehberg, eine 31jährige Künstlerin aus Münster/Westfalen, die seit einem Jahr in Chemnitz lebt und arbeitet, als Siegerin hervor. Ihre konsequent zeitgenössische, sparsam instrumentierte Arbeit vermißt sich nicht, die unfaßbare Tragödie des menschenvernichtenden Bombersturms mittels einer erzählenden, dokumentarischen Sprache ins Gedächtnis zu rufen; das Mahnmal besteht lediglich aus einer grauen Glaswand – gleichsam eine transparente Klagemauer – und einer Anzeigetafel, auf der im Fünf-Minuten-Takt das aktuelle Datum, der Tag der Vernichtung und die Zeit dazwischen eingeblendet werden.
Silke Rehberg hat für das von ihr geschaffene Mahnmal…