Heinz-Otto Peitgen
Mit den Fraktalen kehren die Bilder in die Mathematik zurück
Die Chaostheorie hat in den letzten Jahren eine große Popularität erlangt. Man spricht auch davon, daß sie zu einem neuen Weltbild führt. Kann man denn eigentlich schon von einer Chaostheorie sprechen? Hat sie einen definierten Anwendungs- und Erklärungsbereich, oder gibt es noch verschiedene Ansätze, die zwar unter dem allgemeinen Titel der Chaostheorie laufen, die man aber korrekterweise auseinanderhalten sollte?
Von einer Chaostheorie zu sprechen, suggeriert, daß es eine neue Kerntheorie gibt, aus der sich vielleicht viele Anwendungen in der Mathematik und in den Naturwissenschaften ergeben. Wenn man Chaostheorie so versteht, so ist das zu eng. Wenn man aber Chaos-theorie so versteht, daß hier gewissermaßen ein Sammelsurium von Ideen aus der Mathematik und den Naturwissenschaften zusammengekommen ist, die alle gewisse gemeinsame Eigenschaften haben, dann wäre das ungefähr richtig und ich könnte damit ganz gut leben. Aber die Geschichte der Chaostheorie wäre falsch verstanden, wenn man sie mit den großen theoretischen Entwürfen am Beginn dieses Jahrhunderts wie der Relativitätstheorie gleichsetzen würde.
Im Unterschied zur Relativitätstheorie ist die Chaos- theorie ein Ansatz, mit dem man offenbar weite Bereiche der natürlichen und vielleicht auch der gesellschaftlichen Realität beschreiben kann. Sie tritt ja als allgemeine Beschreibung von komplexen Systemen auf. Was zeichnet denn ein komplexes System aus, und welche Bedingungen müssen gegeben sein, um ein solches System als chaotisches zu betrachten? Gibt es also komplexe Systeme, die nicht chaotisch sind?
Es gibt Komplexität in ganz vielen Verkleidungen und in ganz vielen Variationen. Komplexität ist beispielsweise dann…