Michael Hübl
Mit Chanel und Nonchalance
Sylvie Fleury
Villa Merkel, Galerie der Stadt Esslingen,
31.1. – 28.3.1999
Die Villa Merkel/Galerie der Stadt Esslingen liegt unweit einer stark frequentierten Strecke der DB AG. Früher hätte man gesagt: “an der schwäb’sche Eise’bahne”. Doch wenn die Zeiten der Dampflokomotive je so niedlich-gemütlich waren, wie der Ausdruck suggeriert, dann sind sie inzwischen längst durch kilowattstarke Autos, Hochgeschwindigkeitszüge, Flugzeuge und anderes Gerät überholt. Raketen etwa, wie sie seit den 50er Jahren in den Kosmos geschossen werden. Und so hat denn Sylvie Fleury, die 1995 eine ihrer ersten deutschen Einzelausstellungen im Bahnwärterhaus, der Dependance der Galerie, präsentierte, den tachomanen Nerv der Epoche getroffen, als sie jetzt die Eingangshalle der Villa mit Raketenmodellen bestückte: “First Spaceship on Venus (14)”.
Die acht Fiberglasprojektile, die dem Sound von Sidney Stucki als Resonanzkörper dienen, verweisen auf wesentliche Parameter der Arbeit von Sylvie Fleury. Die rosasoftlilapastellzarte Einfärbung der phallisch-technoiden Objekte bewirkt jenes “explizite Verändern der harten Ästhetik von Männern mit weichen Materialien”1, das Peter Weibel konstatierte, und spielt zugleich an auf die Welt des Luxus und der Moden, der die Künstlerin gleichermaßen fasziniert wie interesselos ihre professionelle Aufmerksamkeit schenkt. Überall Hinweise auf Kosmetika: “Life can get heavy, Mascara shouldn’t” proklamiert eine Wandmalerei auf dem Weg zum Obergeschoß des um- und abgenutzten Gründerzeitbaus. “Moisterizing is the answer” signalisiert eine Neonschrift, “Flesh, Red, Pink & Rose” heißen die Nuancen, in denen Sylvie Fleury vier Lippenstiftvergrößerungen als kurze, stummelige Beauty-Rockets parat hält. Selbst die beiden Unfallwagen, die sie in Esslingen ausstellt, sind mit den Farbtafeln der Visagisten kompatibel:…