Susanne Boecker
Miroslav Tichý Photographer
»Dreck im Musentempel oder der Backlash gegen den Kunstbetrieb«
Museum für Moderne Kunst, 8.3. – 3.8.2008
Dieses Werk lässt sich nicht kategorisieren, es ist konzeptuell, atmosphärisch, formal und inhaltlich völlig einzigartig“, schwärmt Udo Kittelmann. Die Fotografien von Miroslav Tichý haben den Direktor des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt so begeistert, dass er im vergangenen Jahr ein Konvolut von 80 Arbeiten für sein Haus erwarb. Damit besitzt das Frankfurter Museum die derzeit größte Werkgruppe des tschechischen Fotografen in einer öffentlichen Sammlung. Einen Schatz, den man nun stolz der Öffentlichkeit präsentiert.
Was erwartet den Besucher, nachdem er die steilen Treppen des von Hans Hollein erbauten Musentempels erklommen hat? Kleinformatig abgezogene, verschwommene, fleckige Abzüge mit immer dem gleichen Motiv: Frauen. Denn nichts anderes hat Miroslav Tichý während seiner rund dreißig Jahre andauernden fotografischen Obsession von den 60er bis 90er Jahren ins Visier genommen. Mit einfachen, meist selbstgebauten Kameras hat er Tag für Tag dem weiblichen Teil der Bevölkerung seiner Heimatstadt nachgestellt. Einhundert Mal pro Tag bediente er den Auslöser seiner abenteuerlichen fotografischen Apparate, die er verborgen unter der Kleidung schussbereit bei sich trug.
Dieser fotografischen Obsession vorangegangen war ein holpriger Lebenslauf. Nach einer Ausbildung an der Prager Kunstakademie versuchte sich Tichý in den späten 40er Jahren zunächst als Maler und Zeichner. Doch die totalitären Verhältnisse und wohl auch persönliche Erlebnisse entfremdeten ihn mehr und mehr der offiziellen Kunst- und Kulturszene. Anfang der 60er Jahre wurde Tichý „eigen“: Er begann sein Äußeres zu vernachlässigen und provozierte seine Umgebung mit seinen langen Haaren,…