Gabriele Beßler
Mimmo Rotella
Sovrapitture
Galerie Reckermann, 17.11.1989 – 20.1.1990
Es ist nun schon fast 40 Jahre her, daß sich Mimmo Rotella als Künstler erstmals zu Wort meldete – die Galleria Chiaruzzi in Rom zeigte seine damals vorwiegend an Surrealismus, Expressionismus und Kubismus orientierten Bilder.
Als Vertreter des in den 60er Jahren aufkeimenden “Nouveau réalisme” hat er sich schließlich einen Namen gemacht. Weniger in der Bundesrepublik, bedenkt man die Seltenheit, mit der man hierzulande auf sein Werk trifft, im Vergleich auch mit dem einiger seiner einstigen Weggefährten, wie beispielsweise Tinguely oder Arman. Umso wichtiger erscheint diese Präsentation, ermöglicht sie doch Einblicke in die neuesten Arbeiten von Rotella.
“Sovrapitture”, Übermalungen, untertitelt er seine Produktionen und bekräftigt vehement die Fortführung des “Nouveau réalisme” vor dem Hintergrund neuer Realitäten. Nach wie vor entblättert er ausrangierte Werbetafeln auf Zinkblech, reißt Papierbahnen und -fetzen herunter, manchmal bis zur Unkenntlichkeit des vorher Angepriesenen; vielfach sind jetzt jedoch in gewollt ungelenker, spontaner Manier Graffitis darüber gezeichnet. Nicht mehr die Vergänglichkeit der Werbewelt wird propagiert, eine Scheinwelt entlarvt, jetzt bilden die Plakatpartikel lediglich den verblichenen Hintergrund für neue Botschaften, für eine Ästhetik, die heutzutage das Bild einer jeden Großstadt mitprägt. Sinngebungen, subjektive Empfindungen, die gegen Anonymität und Sinnentleertheit anzukämpfen versuchen. Wie Graffiti-Künstler die Wände von U-Bahn-Schächten, also “öffentlichen Raum” in Beschlag nehmen, so nutzt der Italiener seine wohl ebensolchen Räumen entnommenen Abrisse und übersät sie mit Parolen, mehrdeutigen Zeichen und Karikaturen. Rotellas Arbeitsprozeß endet nun nicht mehr in der (entlarvenden) Destruktion, sondern findet eine Ergänzung durch, wenn man so will, schöpferische Mittel der…