KARIN THOMAS
MIMIKRYSPIELE ZWISCHEN MALEREI UND FOTOGRAFIE
Anleihen der Fotografie bei der Malerei sind so alt wie das Medium selbst. In Zeiten lebhafter Rivalität zwischen Fotografie und Malerei um die Gunst eines Publikums, das nach repräsentativen Bildern bürgerlichen Wohlbehagens verlangte, lieferte eine mit Unschärfen operierende Aufnahmetechnik ein weichgezeichnetes Abbild des Abgelichteten, das dazu diente, eine schöne Illusion als Realität zu affirmieren. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war dieser sich als Kunstfotografie stilisierende fotografische Impressionismus einer doppelten Ablehnungsfront ausgesetzt. Von den Vertretern der hohen Kunst wurde die malerisch inszenierte Fotografie als plagiatives Kunstgewerbe disqualifiziert. Die Dokumentarfotografie, die sich als Medium der Presseorgane in wachsendem Maße gesellschaftspolitische Weltgeltung erobern konnte und von daher keinen Anlass hatte, mit den klassischen Kunstdisziplinen in Konkurrenz um eine künstlerische Anerkennung zu treten, erhob für ihre Bilder den Anspruch auf den objektiven Blick und sah ihre unverfälschte Realitätswiedergabe im Widerspruch zu den illusionistischen Bildern einer die Dinge schönzeichnenden Fototechnik. Erst in dem Moment, als das gedruckte Dokumentarfoto im Wettstreit um Aktualität dem bewegten Fernsehbild unterliegt und sich jede Art von fotografischer Bilderzeugung als manipulierbar erweist, kommt ein neuer – konzeptueller – Dialog zwischen Fotografie und Malerei in Gang. Wegweisende Anstöße gehen dazu von Malern wie Gerhard Richter und Sigmar Polke aus, die sich allerdings um die perfekte Fototechnik wenig kümmern.
Als Gerhard Richter in den sechziger Jahren mit seinen scheinbar beliebigen Motiven aus Fotoalbum und Tageszeitung, aus Illustrierten und eigener Schnappschussausbeute abgestufte Grautönungen, Unschärfen und Bildausschnitte als typische Eigenschaften des fotografischen Mediums in seine Malerei transplantiert, bekundet…