Claudia Posca
Michel Nedjar
Kunsthalle, 11.2. – 8.4.1996
Vertraut und fremd zugleich ist die Bilderwelt Michel Nedjars, in der Masken-, Mumien- und Ikonenbilder neben fetischähnlichen Tier- und Puppengeschöpfen aus Lumpen, wertlosen Abfallmaterialien oder Pappmaché ein vom Tod geprägtes Schauspiel des Lebens und der Kreatur vorstellen. Und als sei der existentielle Anspruch nicht unmittelbar genug, fühlt man sich angesichts der visionären Formensprache auch noch in ein Reich zwischen Diesseits und Jenseits entführt. Exakt jedenfalls ist nicht auszumachen, ob die in der Kunsthalle Recklinghausen präsentierten, der Art brut zuzurechnenden Arbeiten dem Traum oder mythischer Ahnung, dem Ritus oder der Magie, der Beschwörung oder imaginärer Vorstellung oder allem zusammen entspringen.
Oder ob sie eher als Antworten auf ein kulturelles Erbe ins Bild entlassen wurden. Denn der 1947 in Soisy-sous Montmonrency/Frankreich geborene, in Paris lebende Nedjar, Autodidakt in Sachen Kunst, hat nach einer Schneiderlehre und einer daran anschließenden Mode-Design-Ausbildung zahlreiche Reisen durch Europa und Marokko, später dann durch Asien, den vorderen Orient, durch Nordafrika und Mittelamerika unternommen. 18 Monate verbrachte er in Mexiko, und vieles von dem, was ihn unterwegs beeindruckte, findet sich als Zitat am Rande, als erzählerische Anspielung oder als mittelbare Spur in Gestalt mumienhafter Figurinen, düsterer Masken, seltsamer Tierwesen bis hin zu amorphen Ungeheuern in seinen Bildern, Plastiken und Objekten wieder. Häufig gehören auch archaische Tierbildnisse zum Repertoire der Vor-Bilder, ohne jedoch ein tatsächlich identisches Gestaltvokabular in seinen Werken zu provozieren. Denn entgegen einer die Höhlenmalerei auszeichnenden Dynamik der Darstellung, sind Nedjars Tierbildnisse statisch-monumental angelegt. Nur scheinbar versuchen seine Mischwesen aus Stier, Büffel und…