Jutta Schenk-Sorge
Michel François – fall nicht hin!
Galerie Gebauer und Günther, Berlin, 21.10. – 2.12.1995
Virtuelle Welten sind nicht Michel François’ Sache. Im Gegenteil, der künstlerische Ansatz des knapp vierzigjährigen Belgiers steht diesen geradezu diametral entgegen. Denn Kommunikation mit der Welt, ihren Objekten und Phänomenen, läuft bei François über physische Kontakte, der Dialog findet sozusagen in Körpersprache statt. Das gilt selbst da, wo er sich als Medium des Videos oder der Fotografie bedient. Bereits auf der letzten documenta warb er mit kühl-sinnlichen Schwarzweißaufnahmen für eine quasi naive Weltaneignung durch Berühren, Begreifen und Eintauchen. Und erst kürzlich zeigte der Belgier anläßlich der Berliner Ausstellung “Westchor Ostportal” eine Installation, bei der das Video den faszinierendsten Part der Arbeit ausmachte, mit kurzen enigmatischen Szenen, etwa von frenetisch in der Erde scharrenden Händen. Interaktion bleibt für François das primordiale Mittel der Welterfahrung, ähnlich wie es Bruce Nauman formuliert: “Ein Gewahrwerden von sich selbst geht aus einem bestimmten Umfang an Tätigkeit hervor, und man kann es nicht bloß mit Nachdenken erreichen.” Wie im Werk des Amerikaners schwingt auch bei dieser neuen, auf drei Räume verteilten, triptychon-artigen Installation von Michel François ein existentieller Unterton mit. Der flapsige Titel: “Fall nicht hin!” konterkariert allerdings mögliche Bedeutungsschwere. Den zentralen Fluchtpunkt der Installation bildet ein großes Rechteck aus Tonblöcken, das wie ein gemauertes Bett oder ein Pflanzbeet den mittleren Raum beherrscht. Seine Ränder sind durchwühlt und zerfleddert von gierig grapschenden Händen. Sie hinterließen tiefe Spuren in der feuchten Tonerde, aus der sie Kugeln in allen Größen rollten. Diese liegen verstreut…