Michael Stephan
Eigentlich hat ein Garten mit Pflanzen so wenig zu tun, wie ein Haus mit Möbeln, Möbel und Pflanzen kommen darin vor, es ist aber in beiden Fällen nicht notwendiges Inventar, aus dem heraus sich eine Raumordnung ergeben muß. Garten ist nach meiner Erfahrung ein ordnender Begriff für einen Bereich, in den man heraustreten kann, der einem selbst aber fremd bleibt und nicht in dem Maße vertraut wird wie ein Haus, in dem man selbst wohnt. Das mag zum Teil daran liegen, daß ein Garten im Freien, also draußen liegt, andererseits aber doch von fremdartigen Wesen bevölkert ist, die gleichwohl einer Pflege bedürfen. Es ist so ein leicht öffentlicher, aber noch stiller privater Bereich, der Besserung erzeugt. Besserung wegen seiner Befremdung und Verwunderung, die er hervorruft, und wegen der gleichzeitig vertrauten Ordnungen, die er verkörpert. Es ist nicht die zähe Stille des Hauses, aber auch nicht der kämpfende Lärm der unbeschränkten Natur, es ist die befreiende leichtatmende Stille, die die Ordnung des Gartens ausmacht.
Die Materia Medica ist ein Garten, der die Substanzen der Welt in ihrer Wirkung auf die menschliche Befindlichkeit definiert, sie verortet, ihnen ihren Platz zuweist. Eine Ordnung aus verschiedenen Blickpositionen und -richtungen wird im Garten erfahrbar. Unbekanntes, Leid und Schmerz verlieren ihre Schrecken durch die Namen, die sie erhalten.
Im Garten, wie in der Materia Medica hat alles seinen Namen. Alles ist benennbar und damit vorstellbar, auch wenn man es noch nicht kennt. Jedes hat einen eigenen Klang. Das kennzeichnet meinen Garten, nicht daß darin Pflanzen zu Hause…