Michael Stoeber
Michael Raedecker
»tour«
Sprengel Museum, Hannover, 9.3. – 15.6.2014
Auf kaum ein künstlerisches Werk trifft die Im Grunde selbstverständliche Forderung, man müsse es im Original sehen, weil Abbildungen seine Qualität nicht herausgeben, so zu wie auf die Bilder von Michael Raedecker. Der 1965 in Amsterdam geborene und heute in London lebende Künstler malt und stickt seine Bilder. Und es sind nicht zuletzt die farbigen Baumwollfäden seiner Werke, die sie so sinnlich machen. Ihre haptische Präsenz erfährt der Betrachter aber erst, wenn er sie direkt sehen und erleben kann. In der Abbildung verlieren sie regelmäßig ihre spezifische Intensität, und oft glaubt der Betrachter, es müsse sich bei den Wollfäden um bloße Linien und Striche handeln. Obwohl die Annahme falsch ist, stimmt die sich mit ihnen verbindende Anmutung. Sie widerlegt die Einschätzung vieler Exegeten Raedeckers, die uns glauben machen möchten, der Künstler schöpfe seine Werke ausschließlich aus der Farbe heraus. Bei ihm ist aber der Faden ebenso wichtig wie die Farbe. Hinter der Zuordnung des Werks zur Farbmalerei taucht ein bis in die Renaissance zurückgehender Streit darüber auf, was in der Malerei Vorrang haben solle, Farbe oder Linie? Wobei im Allgemeinen die Vorstellung herrscht, die Protagonisten der Farbe würden sich die Welt rasch und emotional, die Helden der Linie aber eher bedächtig und rational aneignen. Von zügiger Weltaneignung kann beim Sticken, das Raedecker in einem vorangegangenen Modedesignstudium erlernt und mit in seine Malerei genommen hat, nicht die Rede sein. Raedeckers Manier der Bildverfertigung vollzieht sich trotz zum Teil gestischer Farbverläufe auf seinen…