Michael Hübl
Michaël Borremans
Zeichnungen des latenten Horrors
Kunstmuseum Basel, 16.10.2004 – 9.1.2005
S.M.A.K., Gent, 5.2. – 17.4.2005
The Cleveland Museum of Art, Ohio, 22.5. – 04.9.2005
Rohe, böse Poesie zur Dialektik der Aufklärung und zu den Defizienzen der industrialisierten Moderne könnte folgendermaßen lauten: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit/ Auschwitz, Hiroshima, Uganda. Oder: Seveso, Bhopal, Tschernobyl/ Fortschritt. Im Katalog zur ersten Museumsausstellung mit Zeichnungen von Michaël Borremans fällt die Diagnose härter aus. Seine Arbeiten „klagen eine verblühende Gesellschaft an, die dem Untergang geweiht und sich dessen nicht bewusst ist“, heißt es in einem Katalogbeitrag von Jeffrey D. Grove. Untergang – das bedeutet: Schluss, aus, vorbei, absolut Ende. Geweiht – das unterstellt eine höhere, übergeordnete Instanz, die sich ein Opfer auserkoren hat. Und Gesellschaft – das kann unter den Bedingungen globalisierter Abhängigkeiten und Vernetzungen nur heißen: die ganze Welt.
Keine der ausgestellten Zeichnungen schildert ein derartiges apokalyptisches Szenario. Nirgends wird der Totalabsturz in die Katastrophe ausgemalt, und doch ist er als latente Drohung präsent. Welcherart die Strategie der Verunsicherung ist, die Borremans anwendet, lässt sich an Arbeiten wie „The Swimming Pool“ (2001) ablesen. Sie zeigt das Bildnis eines jungen Mannes, auf dessen Oberkörper der Satz zu lesen ist „People must be punished“. Kleine Skizzen und andere Randbemerkungen geben zu verstehen, dass es sich lediglich um ein Projekt, um den Entwurf einer Installation handelt. Sie sieht vor, dass das Bildnis von einer höheren Warte, konkret: von einer Cafeteria aus betrachtet wird. Aus dieser Perspektive heraus ist die Zeichnung angelegt – als Blick in eine…