Heinz-Norbert Jocks
Micha Ullman
»Schutzzone der Zeichen«
Galerie Cora Hölzl, Düsseldorf, 25.3. – 19.5.1995
Micha Ullman, 1939 in Tel Aviv geboren, dringt in das vor, was unabgegolten ist. Je nachdem, womit gerade befaßt, setzt er auf Skulpturales oder Graphisches als Gedächtnisstütze. Denn die Dunkelheit der gelebten Zeit, die uns verfolgt, gilt es zu beleuchten. Mit seiner Arbeit “Bibliothek” von 1995, einem hermetisch wirkenden Mahnmal zur Bücherverbrennung in Berlin, das einer unterirdischen, hinter Glas versteckten Grabkammer der Stille aus leeren, weiß- verputzten Regalen gleicht, bekräftigte er zuletzt einmal mehr seinen obsessiven Drang, über die gruseligen Irrtümer nicht nur deutscher Geschichte zu reflektieren. Seine von einem Aufklärungswillen durchsetzte Fantasie fällt dabei stets künstlerisch aus, auch autonom, also parallel zu dem, worüber er etwas aussagen will, nie dogmatisch oder illustrierend.
Überhaupt sind es in der Regel politische Wundstellen, an denen er sich stellvertretend abrackert. Insofern macht es durchaus Sinn, von einem “politischen” Künstler zu sprechen, dessen aufs Wesentliche reduzierte, sich unplakativ gebende Ästhetik jedoch nie auf Eindeutigkeit zielt, weil dies der Definition von Kunst widerspräche. Es ist, wenn man all die Erkundigungen seit Jahren nachvollzieht, die sich zu einem Fragen aufwerfenden Denkmosaik addieren, auch nicht verkehrt, in seinem Fall von einer vorsichtigen Archäologie der Orte oder von einer mythischen Wissenschaft zu reden.
Daß er ein jüdischer Künstler frei von Ideologie ist, der sich mit sanfter Beharrlichkeit ans Werk der Ausgrabung macht, illustriert eine in ihrer Sinnlichkeit zu mehr Bewußtsein verführende Ausstellung mit “29 Mondzeichnungen” bei Cora Hölzl. Deren poetischer Reiz besteht in einer hintersinnigen Abstraktion, der das…