Johannes Meinhardt
Mestizentum der Kunst
»Mexicanidad – Frida Kahlo, Diego Rivera, Rufino Tamayo, Francisco Toledo, Adolfo Riestra«
Kunsthalle Würth, 28.4.2012 – 16.9.2012
Die Frage nach der Mexicanidad ist eine sehr interessante Frage, weil sich in ihr völlig unterschiedliche und ungleichzeitige Probleme überkreuzen. Der Terminus wurde schon in den Wirren des mexikanischen Unabhängigkeitskriegs 1810-1821geprägt, in dem sich zum ersten Mal die Frage nach einer mexikanischen Identität stellte; da aber dieser Krieg vor allem ein Krieg der kreolischen Oberklasse gegen ihre Abhängigkeit von Spanien war, konnte so etwas wie eine neue nationale Identität sich nicht ausbilden – im Gegensatz etwa zu den USA. Auch in Europa war das späte 18. und frühe 19. Jahrhundert die Epoche, in der sich sowohl der aufklärerische und politische Begriff der Nation, einer Gemeinschaft von gleichen und freien Bürgern, ausbildete, als auch, in den `verspäteten Nationen´ Deutschland und Italien, das romantische, teilweise sogar mythische Konzept einer geistigen Nation (so etwa bei Novalis). Und zu einer Nation gehört eine nationale Kunst – wie sie in Deutschland beispielsweise die Nazarener propagiert hatten und zu schaffen versuchten.
In Mexiko wurde die Frage nach einer mexikanischen Identität, der Mexicanidad, richtig virulent mit der mexikanischen Revolution, die 1910 begann und sich mit unterschiedlichsten Phasen bis 1920 hinzog; diese Revolution war zum einen eine liberale Revolution eines nur wenig ausgeprägten und wenig umfangreichen Bürgertums, zum anderen aber der sozialistische Kampf der Bauernmassen um eine gerechte Verteilung – des Landes, das sich weitgehend in der Hand von Großgrundbesitzern befand, einer neuen `feudalen´ Schicht (denn das war kaum…