Hans-Jürgen Müller
Messekrankheiten
Ist der Kunsthandel den ökonomischen und psychologischen Anforderungen, die angesichts der Messeflut immer erbarmungsloser auf ihn einströmen, überhaupt noch gewachsen? Differenzierter gefragt: Werden Galeristen, deren einziges Kapital meist ihre künstlerische Antenne ist, durch die Kunstmärkte zwangsläufig korrumpiert, sodaß es bald nur noch moderne Antiquitätenhändler geben wird? Um den Fragenkomplex abzurunden: Sind die 300 Individualisten, die sich jährlich in Basel ein Stelldichein wider Willen geben, bald nurmehr Statisten in einem Schauspiel, deren Hauptdarsteller (und Verdiener) Messegesellschaften und publicitysüchtige Städte sind?
Über den Unsinn von Kunstmärkten in der bisherigen Form ist in der Vergangenheit so ziemlich alles geschrieben und gesagt worden, was es zu diesem Thema anzumerken galt. Daß Messen dennoch nicht sterben, hat mehrere Ursachen. So zwingt beispielsweise eine äußerst schwache Kapitaldecke die meisten Galerien (so widersinnig das auch klingt) zur Teilnahme, da sich das Publikumsinteresse mehr und mehr auf das Messespektakel konzentriert. Galeristen in Düsseldorf, Köln und Basel arbeiten Wochen vor und nach den jeweiligen Großveranstaltungen so gut wie unter Ausschluß einer ohnehin kaum vorhandenen Kunstöffentlichkeit.
Der diesjährige Versuch der Verantwortlichen, auf einen zweijährigen Rhythmus einzuschwenken, scheiterte an der Unnachgiebigkeit der Messegesellschaft, aber auch am Veto jener Kunsthändler, die mittels eines geschickt sortierten Sortiments drittklassiger Expressionisten und klassischer Moderne den Großteil ihres Jahresumsatzes während der Messen machen. Aber auch der Kitsch feierte Absatztriumphe. In Basel ließ sich das sehr gut beobachten. Während in den ersten drei Tagen ein sogenanntes Fachpublikum kritisch wählte, prüfte, verglich und mitunter auch kaufte, ergoß sich vor allem am Wochenende der Strom jener Besucher in die…