Sigrid Feeser
Medium Religion
Zentrum für Kunst und Medientechnologie / Museum für Neue Kunst, Karlsruhe, 23.11.2008 – 19.4.2009
Die Maschine schreibt und schreibt und schreibt. Wort für Wort und Satz für Satz kratzt die Stahlfeder in gestochen präziser Kalligraphie über mählich voranruckelnde Papierbögen. Sieben Monate wird es dauern, bis der Industrieroboter aus dem „robotlab“ der Karlsruher Medienkünstler Matthias Gommel, Martina Haitz und Jan Jappe den deutschen Bibeltext geschrieben hat. Das Imitat eines frommen Klosterschreibers ist ein technisches Wunderwerk ohne Sinn, selbstreferentiell, heillos überinstrumentiert – und schon aus diesem Grund ein wunderbarer Kommentar zu der Schau „Medium Religion“ im Museum für Neue Kunst des Karlsruher Zentrums für Medientechnologie. Peter Weibel und Boris Groys haben mehr als siebzig Werke auf dreitausend Quadratmetern arrangiert und in ein solides Bündel von Thesen, Vermutungen und Übertreibungen verpackt. ZKM-Vorstand Weibel ist überzeugt: Am Anfang war die Schrift. Ohne Schrift keine Religion. Die Medientechniken sind die Vollendung der religiösen Techniken. Als Argumentationskette ist Weibels Mantra ein Selbstläufer, der sich an der Bibel entzündet, aber an der Bibellektüre Unkundige wendet. „Logos“ meint das Wort als Anfang aller Dinge und eben nicht die Schrift. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“ heißt es am Anfang des Johannesevangeliums in der Übersetzung von Martin Luther.
Den Kuratoren geht es um die Mechanik des Religiösen, seine „Medialität“, die nur als „Verbreitung“ existiert, nicht um Inhalte und schon gar nicht um den metaphysischen Kern. Die Repetition von Bild, Schrift und Handlungen (oder sich wiederholende Rituale) ist…